Auf der Klinik-Großbaustelle sind Kaffee und Cola vom Verkaufswagen der Tanja W. die wichtigsten Getränke / Alkohol streng verboten

Von Felicitas Schück Schwarzwald-Baar-Kreis. "Ich könnte einen Roman erzählen", sagt Tanja W. (Name der Redaktion bekannt) und lacht. Seit sie in diesem April ihren Verkaufswagen auf dem Gelände der Klinikbaustelle aufgestellt hat, ist ihr Leben bunter und abwechslungsreicher geworden.Sie brüht frischen Kaffee auf und schenkt Rüdiger Brosch eine Tasse ein. Brosch arbeitet bei der Firma Bam und kommt täglich. "Kaffee ist hier das wichtigste Getränk", sagt die junge Frau, die mit dem Verkauf von Maultaschen und anderen schwäbischen Spezialitäten auf dem Klinikgelände begann.

Bald stellte sie fest: "Was vor allem gefragt ist, ist Currywurst." Und Bratwurst und Pommes frites. Für die muslimischen Arbeiter gibt es auch Rinds- und Putenwurst.

"Irgendwann hatte ich die Idee, hier nachzufragen, ob nicht Bedarf für einen Verkaufswagen besteht und dann habe ich mit Bauleiter Markus Scholz gesprochen". Die beiden wurden sich einig. Die Klinik-Geschäftsführung stimmte zu. Seither darf Tanja W. Wurst und Cola verkaufen. Unter 250 Männern ist sie die einzige Frau, wenn sie zur Mittagszeit für ein paar Stunden ihren Wagen öffnet. Bis zu 30 Arbeiter kommen täglich, manchmal nur, um auf den Bierbänken vor dem Wagen zu sitzen und bei Cola oder Kaffee ein Schwätzchen zu halten. "Das war eine Marktlücke und es ist schon Zuspruch da, aber der Wahnsinnserfolg ist es noch nicht", sagt Tanja W. Auch die Lastwagenfahrer, die Material zur Baustelle transportieren, lassen es sich bei ihr schmecken. So wie Jürgen Seitner, der im Sonnenschein seine Currywurst mit Fritten verzehrt. "Hier die Bude, das ist schon einwandfrei", sagt Stefan Höfer. Der Gerüstbauer ist auf Montage auf der Großbaustelle. Zusammen mit seinem Kumpel Marcus Habura hat er in Schwenningen "eine Ferienwohnung" gemietet. Die Wohnung hat eine Küche, so dass die beiden sich abends selbst verpflegen können. "Wir sind ein Super-Team. Es läuft einwandfrei bei uns", sagt er. Von 6 bis 18 Uhr arbeiten sie auf der Großbaustelle.

Unter so vielen Männern braucht man ein "dickes Fell" um sich durchzusetzen, erzählt Tanja W. Doch Rüdiger Brosch würde ihr sofort zur Hilfe eilen, wenn es Probleme gebe, sagt er. Die Kauffrau für den Einzelhandel hatte schon mal einige Schrecksekunden zu überstehen, als einige ihrer Gäste sich einen Scherz erlaubten. "Da sind sie mit dem Bagger vorbeigefahren und haben so getan, als ob sie den Inhalt des Baggers gleich über meinem Wagen abkippen würden."

Rüdiger Brosch wohnt auf der Baustelle, "weil die Arbeit so lange dauert". Allerdings auf der Seite, wo auch die Bauleitung ihre Büros hat. Avni Quernin hat in einem der Wohncontainer auf der anderen Seite, wo über 200 Menschen untergebracht sind., sein Quartier. "Partys feiern wir dort nicht", erzählt er und bestellt einen Kaffee. Der Arbeiter kommt aus dem Kosovo, wohnt jetzt eigentlich in Ostdeutschland, in der Nähe zu Polen. "Im Container ist es nicht schlecht", meint er. Sein Kumpel Kahili Baskim bestellt ein Putenschnitzel bei Tanja W. Die Arbeiter schätzen ihren Verkaufswagen. Kaum Zuspruch hat sie dagegen von den rumänischen Bewohnern der Wohncontainer. "Die kaufen ein und kochen selbst", vermutet sie. Alkohol gibt es nicht bei Tanja W., nicht einmal ein Bier. Alkoholische Getränke sind auf dem gesamten Baustellengelände tabu. "Das Klischee vom Bauarbeiter mit der Bierflasche ist schon lange überholt", erzählt Rüdiger Brosch. "Alkohol auf Baustellen ist nicht erlaubt".

Die Arbeit im Verkaufswagen macht Tanja W. Spaß. Gerne würde die Expertin für schwäbische Spezialitäten auch in Villingen oder Schwenningen auf den Märkten verkaufen, "aber da kommt man ja fast nicht rein". Doch einstweilen steht ihr erst mal der Winter auf der Baustelle bevor. Sie wird sich mit Heizstrahler und Handschuhen ausrüsten und mal sehen, wie es weitergeht, ob vielleicht in der kalten Jahreszeit auch Schupfnudeln und Bio-Maultaschen, Steak oder Schnitzel gefragt sind. Zumal im nächsten Jahr der Innenausbau beginnt. "Es ist schon beeindruckend, zu sehen, wie das wächst", sagt die junge Frau, die seit April nahezu täglich die Baufortschritte auf der Großbaustelle beobachten kann Wenn der Neubau 2012 eröffnet ist, wird ihr etwas fehlen, ist sie sich jetzt schon sicher.

Wie es dann weitergeht, weiß sie noch nicht.

Baustellen in Potsdam oder Frankfurt sind die nächsten Stationen von Rüdiger Brosch. "Komm doch mit", sagt er. Potsdam ist zu weit, "aber über Frankfurt können wir reden", lacht Tanja W.