Zum Haareraufen ist das, was manche Lehrer an ihrem Arbeitsplatz Schule erleben. Foto: © Woodapple/Fotolia.com

Schule: Klagen über zunehmende verbale Aggressionen von Jungen und Mädchen. Pädagogin gewürgt.

Villingen-Schwenningen - Sie will das Handy einfach nicht weglegen. Die Lehrerin greift im Unterricht durch – und wird von der Schülerin gewürgt. Solche schweren Attacken sind zwar im Kreis selten, doch zunehmend sehen sich Pädagogen "verbalen Angriffen" ausgesetzt.

Gewalt von Schülern an Schülern, ist ein Thema, das Lehrer und Schulsozialarbeiter seit Jahren beschäftigt. Doch wie sieht es mit der Gewalt, der körperlichen und verbalen gegen Lehrer selbst aus? Fälle von körperlicher Gewalt kommen vor, jedoch nur vereinzelt, beschreibt Sabine Röser die Situation. Röser, Leiterin des Staatlichen Schulamtes Donaueschingen seit Januar 2015, sind zwei gravierende Fälle bekannt: In einer Schule sei eine Lehrerin von einer Schülerin gewürgt worden, in einer anderen sei eine Lehrerin von einem Schüler niedergeschlagen worden.

Zwei Extrem-Fälle mit jedoch unterschiedlichen Vorzeichen, resümiert Harri Frank, Sprecher des Polizeipräsidiums Tuttlingen: Das 14-jährige Mädchen, bestätigt er, sei ausgerastet, weil ihr die Handynutzung im Unterricht untersagt worden sei. "Die Schülerin packte die Pädagogin mit den Händen am Hals und drückte mit beiden Daumen fest zu." Der Faustschlag des Jungen ins Gesicht sei dagegen keine gezielte Aktion gegen die Lehrerin gewesen. Sie habe bei einer Prügelei schlichten wollen und sei "zwischen die Fronten geraten", legt er dar. Solche Extreme sind für Frank die Ausnahme wie die Statistik der letzten Jahre zeigt.

Anders verhält es sich mit "verbaler Gewalt und Aggression", die in den allermeisten Fällen nicht angezeigt wird, aber ebenfalls in mancher Lehrer-Psyche Folgen hinterlässt. Röser versteht sehr gut, warum Lehrerverbände Alarm schlagen: "Wir haben es mit einer Verrohung der Sprache zu tun." Wann hört die Jugendsprache auf und wo beginnt die Respektlosigkeit? Diese Frage beantwortet sich schnell, wenn man mit Pädagogen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis ins Gespräch kommt. Der Zuruf "hey Alte, was willst Du von mir", an die Adresse einer Lehrerin sei da noch die harmlose Variante. "Die verbale Gewalt hat zugenommen", bekräftigt ein weiterer Rektor. Drohende Aussagen wie "Ich stech Dich ab" oder vulgäre Bemerkungen wie "F...Dich", gehören mittlerweile zum Schulalltag. "Das erleben Sie öfters und das nagt gewaltig an Kollegen, wenn die sich solchen Attacken ausgesetzt sehen", auch wenn alle möglichen schulischen Maßnahmen ergriffen werden. Häufig treffe es Lehrer, so ein Schulleiter, "die ihre helfende Ader stark leben und ein großes Herz haben. Was Lehrkräfte alles einstecken müssen, ist teils starker Tobak".

Ist es ein Problem bildungsferner Schichten, dass "die Hemmschwelle gegen Lehrer und die Respektlosigkeit immer mehr sinkt". Die Antwort unisono: "Nein, das kommt in allen Schichten und bei Jungs wie bei Mädchen vor", beobachtet ein Lehrer. Wie tiefgehend die Problematik sei, zeige sich schon bei manchen Elterngesprächen: "Wenn Schüler vor dem Klassenlehrer die eigene Mutter anschnauzen und beleidigen" Für Lehrkäfte steht zur Bewätigung von belastenden Erfahrungen das Kollegium, sondern und vor allem die Beratungsstelle des Schulamtes zur Verfügung. Und für die Schüler? Zunächst versuche man, die Schüler in einem Zweier-Gespräch auf die verbalen Entgleisungen aufmerksam zu machen und gegenseitigen Respekt einzufordern.

Die erfahrene Schulsozialarbeiterin Christine Disch, seit 17 Jahren im "Dienst" in VS, kann die Entwicklungen zur "Verrohung" nur bestätigen. Ihre Strategie ist es, in Ruhe über unverschämte Aussagen zu reden: Dann komme einiges an den Tag, was hinter der Aggression stecke. "Der schlimmste Tag", berichtet sie, "ist der Montag", wenn die Kinder und Jugendlichen zuhause wieder Probleme hatten, nur vor dem Computer und saßen und keine Ansprache hatten. "Nur noch wenige Eltern unternehmen etwas mit ihren Kindern."