Kultur: Bühnenfassung "Terror" von Ferdinand von Schirach" im Theater am Ring

VS-Villingen (tri). Schrecklich ist es, in die Situation des Luftwaffen-Majors Lars Koch zu geraten: Wenn er nicht schießt, werden Terroristen ein Passagierflugzeug in eine voll besetzte Sport-Arena abstürzen lassen und 70 000 Menschen töten. Aber wenn er das verhindern will, muss er den Tod der 164 Personen an Bord des Flugzeugs in Kauf nehmen.

Schuldig wurde er in jedem Fall. Durfte er, entgegen dem ausdrücklichen Befehl und dem Urteil des höchsten deutschen Gerichts, dem eigenen Gewissen folgen und das seiner Meinung nach kleinere Übel wählen? Die Staatsanwältin klagt ihn des 164-fachen Mordes an. Nach dem Text von Ferdinand von Schirach lief vor wenigen Wochen die Gerichtsverhandlung als Fernsehspiel – jetzt als Bühnenfassung der Agentur Landgraf unter der Regie von Thomas Goritzki im Theater am Ring in Villingen.

Anders als das Fernsehen stellt die Bühnenfassung mit Christian Meyer einen eher kühlen Typ als Major Koch vor das Publikum. Er rechtfertigt sein Verhalten militärisch knapp, zeigt nur selten, dass auch er Emotionen hat. Sein Verteidiger (Christof Schlemmer) kommt verspätet in die Verhandlung, irritiert durch sein flapsiges, unkonventionelles Verhalten – und hält am Ende ein überzeugendes Plädoyer. Die engagierte Staatsanwältin (Annett Kruschke) besticht durch gewissenhafte, äußerst faire Argumentation Höchst eindringlich vertritt sie den Gedanken, dass die Würde des Menschen absolut unverletzlich bleiben muss. Nie dürfen Menschen zu bloßen Objekten gemacht oder um eines höheren Zweckes willen geopfert werden.

Fragwürdig bleibt die Rolle des Zeugen Oberstleutnant Lauterbach (Peter Donath) – hätte seine Flugleitstelle veranlassen können, das Stadion rechtzeitig zu räumen und damit dem Jagdpiloten die furchtbare Entscheidung zu ersparen? Der war in seiner Situation allein. Und da 70 000 Menschen nach vergeblichen Versuchen auf keine andere Weise gerettet werden konnten, ist es verständlich, dass der Pilot sich für den Abschuss entschied.

Ergreifend die Nebenklägerin (Tina Rottensteiner), eine junge Witwe, deren Mann durch den Abschuss des Flugzeugs ums Leben kam. Mit ernsten Worten ermahnte der unparteiische Richter (Johannes Brandrup) das Publikum, als Schöffen gewissenhaft zu entscheiden. Schuldig oder unschuldig? Muss man Terroristen durch entschlossenes Handeln entgegentreten oder eher durch unbeirrbares Festhalten an Grundsätzen?

Sichtlich beeindruckt und sehr bewegt ging das Publikum in die Pause, diskutierte heftig die Alternativen. Eine knappe Mehrheit plädierte für unschuldig. Der Richter würdigte in seinem Schlusswort, dass sich der Angeklagte in einem übergesetzlichen Notstand befand und sich berechtigterweise für das kleinere Übel entschied. Welchen Sinn sollte es haben, ihn als schuldig zu verurteilen und sein bisher untadeliges Leben zu zerstören? So wichtig die hehren Prinzipien sind – im Einzelfall müssen sie um der Verantwortung willen durchbrechbar sein. Es bleibt das Bewusstsein von der Fehlbarkeit allen menschlichen Verhaltens.