An der Stadtmauer erzählt Gunter Schwarz die Geschichte vom Romäus. Foto: Schimkat Foto: Schwarzwälder-Bote

Nachtwächterführung: Besucher gehen auf Mittelalter-Reise

VS-Villingen. Gunter Schwarz, nach eigener Aussage "der letzte überlebende Nachtwächter aus dem Mittelalter", hatte am Freitagabend eine ansehnliche Anzahl von interessierten Bürgern und Touristen vor dem Franziskaner um sich versammelt.

Schwarz führte sie durch die Altstadt und das, obwohl im Mittelalter bei solchen Führungen ein Schwund von zehn Prozent normal gewesen sei. Mit enorm viel Wissen und genauso viel Humor konnte der Nachtwächter alle, die ihm brav durch die Stadt folgten, begeistern.

Veranstaltung ist sehr beliebt und bereits seit Monaten ausverkauft

Die Nachtführungen sind äußerst beliebt und schon Monate vorher ausverkauft. So machte es auch nichts, dass die Temperaturen den ein oder anderen Teilnehmer bibbern ließen. Es habe drei Nachtwächter gegeben, die bei jedem vollen Stundenschlag über ein Zugsystem den Nachschlag ausführten: "So wusste man, dass die Nachtwächter noch wach waren", berichtete Schwarz.

Er habe als Nachtwächter im Mittelalter bei seinen Runden nach Feuer Ausschau gehalten, auch ging er durch die Wirtschaften. Er musste die Bäcker wecken und die Waschweiber ebenfalls, damit sie mit ihrer Arbeit beginnen konnten, erinnerte er sich. Schwarz erzählte von der Geschichte des Franziskaners, und dass Villingen zu zwölf Zähringerstädten gehörte: "Sechs liegen in Südbaden, sechs in der Nordschweiz", so Schwarz.

Villingen sei früher das "Shanghai der Baar" gewesen, verkündete er mit einem Augenzwinkern. Als die ersten Bettelorden nach Villingen kamen, hätten die Bürger gewünscht, dass man das Franziskaner groß genug für Versammlungen baue. Deshalb haben dort heute 1000 Menschen Platz, fuhr er fort. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts habe es eine offene Kanalisationen gegeben, jeder Bürger musste eine Waffe besitzen und einen Ledereimer, da die Bewohner zur Feuerwehr und zur Bürgerwehr gehörten.

Villingen habe eigene Maße und Gewichte gehabt, und die Freiburger Universität sei hier gegründet worden Dann ging es los im Stechschritt zum Riettor, dessen Geschichte Schwarz erzählte. An der Stadtmauer auf Höhe des Romäusturms erzählte er die Sage vom Riesen Romäus, der wahrscheinlich noch größer als Dirk Nowitzki gewesen sei. Der Riese, der lebenslange Haft im Turm bekam, verkürzte die Zeit und floh nach einem halben Jahr – wie, das habe man nie erfahren.

Der Nachtwächter erläuterte das Zyklopenmauerwerk am unteren Teil des Romäusturms und fragte, warum Villingen nie eingenommen wurde. "Weil es nie belagert wurde", löste er das Rätsel. Vorbei ging es an der Zehntscheuer zur Brunnenstraße, dem Arme-Leute-Viertel, dann kam die Webergasse, damals auch "Mistgasse" genannt. Wohlhabende Bürger hätten sich einen Erker ans Haus gebaut, das sei das damalige Fernsehen gewesen.

Der Nachtwächter führte sein treues Gefolge schließlich in die Rietstraße zum ehemaligen Hospital, das später als Feuerwehrhaus diente, sowie zum Münsterturm mit seinen 50 Glocken. Dann verabschiedete er sich und marschierte zu seiner Chorprobe. "Das war sehr gut", zeigten sich die nächtlichen Stadt-Wanderer begeistert.