Präventionsprojekt mit der Erfolgsautorin Lilly Lindner

Von Cornelia Spitz

Villingen-Schwenningen. Sie kennt die Gewalt. Sie wurde verwendet, gebraucht, missbraucht. Hat Narben am Körper und an der Seele. Und hatte die Magersucht. Aber eines unterscheidet Lilly Lindner von anderen mit diesem Schicksal: Sie spricht über das schwer Ertragbare. Nun kommt die Bestseller-Autorin von "Splitterfasernackt" in die Doppelstadt.

Missbrauch, Prostitution, Magersucht, das und noch viel mehr hat Lilly Lindner erfahren und darüber in den zwei autobiographischen Büchern "Splitterfasernackt" und "Winterwassertief" erzählt. Bei SWR1 Leute rührte sie Zuhörer vor dem Radioapparat zu Tränen, verpasste ihnen einen Kloß im Hals und tiefe Betroffenheit. Einer von ihnen war der Villinger Steffen Vogt.

Das Thema „sexueller Missbrauch“ treibt ihn aufgrund seiner Beobachtungen seit Jahren um. Und es macht ihn unglaublich wütend. Seit jeher. "Mein Vater brachte mir bei, dass man eine Frau respektvoll behandelt." Doch vielen Frauen geht es anders.

Steffen Vogt weiß um die Notwendigkeit, das Tabu Missbrauch zu brechen, sensibel zu sein. Und plötzlich wusste er, wie man einen Beitrag leisten kann, um diese Kultur des Hinschauens und Handelns zu erreichen: mit Lilly Lindner. Nach ihrem Radiotalk las auch Steffen Vogt ihr Buch "Splitterfasernackt". "Und ich war gefesselt" – vom Thema, den tiefen Einblicken in eine geschundene Seele und der Wortgewalt dieser jungen und im Schreiben so talentierten Frau. So Abscheuliches sie doch berichtet, sie vergreift sich nie im Vokabular. Oder doch, in einem einzigen Fall: Wenn sie von ihrer "totgef...." Seele spricht. Anders kann sie nicht in Worte fassen, sagt sie, was mit ihr passierte.

Trotzdem: Lilly Lindners Buch taugt allzu gut für Jugendliche. "Sie belastet nicht mit belastenden Details, das alles ist schon schlüpfrig genug", weiß Steffen Vogt.

Als er erfuhr, dass Lindner Lesungen in Schulen anbietet, "habe ich beschlossen, dass ich diese Frau nach Villingen hole", erzählt er.

Die Lions Clubs, der Weiße Ring undSteffen Vogt laden ein

Und nun kommt sie. Vom 9. bis 13. November zum Präventionsprojekt "Hinschauen, handeln!" Alles ging plötzlich rasend schnell. Steffen Vogt erzählte dem Lions Club Mitglied Hannes Bürner von seiner Idee, der lächelte: Der Lions Club unterstützte gemeinsam mit dem Weißen Ring bereits im März das Figurentheaterstück "Pfoten weg!", ein Präventionsprojekt für Kinder aus Kindergärten und Schulen.

Präventionsprojekt Nummer 2, "Hinschauen, handeln!" ist die perfekte Ergänzung. Schnell saßen die Lions Clubs in Villingen und Schwenningen sowie der Weiße Ring mit Roland Brauner und Max Bammert in einem Boot. Zielgruppe des Projekts sind Jugendliche der achten bis zehnten Klassen in VS. Die Organisatoren haben derzeit alle Hände voll zu tun, den Zeitplan im Detail festzulegen und auf die Schulen zuzugehen. Für deren Schüler, aber auch in ein bis zwei öffentlichen Veranstaltungen für alle sonstigen Interessierten, soll die Berliner Autorin Lilly Lindner im November ihre Geschichte vorlesen. Damit sie am Ende "Nein!" sagen – und auch anderen, deren Stimme selbst zu leise ist, helfen, das zu tun.

Hilfe bekommen, wenn nötig

Wer Hilfe braucht, soll sie bekommen – nach den Veranstaltungen bekommen die Zuhörer Infos, wo im Landkreis Hilfe, Begleitung und Therapien angeboten werden. 17 Institutionen stehen bereit.

Lilly Lindner ist sechs, als der Nachbar beginnt, sie regelmäßig zu vergewaltigen. Er droht ihr mit dem Schlimmsten, falls sie etwas ihren Eltern erzählen sollte. Und so schweigt das kleine Mädchen. Schließlich zieht der Mann weg – doch Lillys Leben ist längst aus dem Lot.

Mit 13 Jahren fängt sie an zu hungern – damit von ihrem geschundenen Körper möglichst wenig übrig bleibt. Doch die Schande macht sie damit nicht ungeschehen. Und so beschließt Lilly als junge Frau, ihren Körper, der ihr schon lange nicht mehr gehört, in einem Edel-Bordell zu verkaufen.