Dieter Brandes (rechts) ist für viele Projekte der Kirche aktiv. Hier ist er in Ruanda. Fotos: Privat Foto: Schwarzwälder-Bote

Brandes in Afrika (1): Pfarrer in Ruhestand ist in Afrika aktiv / Dieter Brandes zu Besuch in Ruanda

Er ist noch immer unterwegs, um Kriegsparteien zu versöhnen. Der Schwennniger Pfarrer im Ruhestand, Dieter Brandes, unterrichtet ein seelsorgerlich-therapeutisches Verfahren in Ruanda.

VS-Schwenningen. "Man merkt es sofort, wenn man über die Grenze geht", erzählt Dieter Brandes, Pfarrer im Ruhestand in der evangelischen Kirchengemeinde Schwenningen. Die Grenze, die er beschreibt ist nicht etwa jene zwischen Amt und Rente, sondern zwischen zwei afrikanischen Staaten.

Ruhestand kennt der 71-Jährige ehedem so gut wie nicht. Erst vor wenigen Wochen reiste er wieder einmal nach Afrika, um verschiedene Hilfsprojekte in Ruanda und dem Kongo zu besuchen. Zurück kam er mit der Gewissheit, dass die aus Schwenningen bislang geleistete Unterstützung die richtige ist und tatsächlich vollumfänglich ankommt.

Der Schwarzwälder Bote hat sich mit dem aktiven Wahl-Schwenninger in der Adventszeit getroffen und dabei viele Beispiele für mutiges christliches Handeln in der Welt gefunden. "In Ruanda können sie sich frei bewegen und die Infrastruktur ist gut", erzählt Brandes. "Ganz anders im Nachbarland Kongo. Schon ein paar Meter nach der Grenze sieht man viele Leute mit Maschinengewehren. Es herrscht große Armut und auf den Straßen fährt man Slalom zwischen tiefen Schlaglöchern."

Ein Blick in die jüngere Geschichte lässt für Ruanda, eine ehemalige Kolonie Deutschlands, anderes vermuten: 1994 gab es dort einen der grausamsten Völkermorde Afrikas. Binnen weniger Monate wurden rund eine Million Menschen ermordet. Nach Ende des Abschlachtens von Tutsis und gemäßigten Hutus fanden die Konfliktparteien jedoch erstaunlich konsequent wieder zueinander. "Ruanda ist ein gutes Beispiel dafür, wie Versöhnung gelingen kann", so Brandes. Dies ist angesichts Dorfgemeinschaften, in denen Täter und Opfer eng beieinander leben, nicht selbstverständlich. Nicht so sehr Bestrafung als vielmehr Versöhnung stehen im Mittelpunkt der traditionellen Dorfversammlungen, sogenannten Gacacas, und sorgen für Befriedung. Könne das Opfer dem Täter vergeben, so wirke es strafmindernd im unmittelbar anschließenden Strafprozess. Komme der Täter später aus der Haft wieder frei, so erhielten Täter und Opfer (-Angehörige) gemeinsame Aufgaben wie beispielsweise die Bewirtschaftung eines Feldes mit ein, zwei Kühen.

Die Orientierung an der Zukunft ohne Vergessen der schmerzvollen Vergangenheit schaffe wieder eine gemeinsame Basis. Um das Land aufzubauen, müssten außerdem einmal im Monat alle Bürger einen halben Tag gemeinnützige Arbeit leisten. Täter und Opfer seien hierbei gleichgestellt und würden ganz bewusst in jeweils gleiche Arbeitsgruppen eingeteilt. Dies sei nicht einfach für die Menschen, helfe aber sehr gut, die seelischen Wunden zu verarbeiten. "Man könnte den Völkermord als Thema auch verschweigen", so Brandes. Dies würde aber gerade nicht dazu beitragen, die einstigen Konfliktparteien wieder miteinander zu versöhnen.

Besonders schwere Fälle beträfen jeweils Traumatisierungen. Dafür stehen in kirchlichen wie staatlichen Traumazentren Therapieexperten zur Verfügung, um die seelischen Wunden wenigstens ansatzweise zu lindern. Brandes, langjähriger Koordinator weltweiter Projekte "Healing of Memories" (HoM), einem seelsorgerlich-therapeutischen Verfahren der Täter-Opfer-Arbeit zur Aufarbeitung von persönlichen Verletzungen, war aktuell mit der Weiterentwicklung von HoM-Prozessen in Afrika beauftragt. Ursprünglich als Versöhnungsinitiative von Bischof Desmund Tutu in Südafrika ins Leben gerufen, wurde das Projekt in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre in Nord-Irland und damit auch erstmals in Europa eingesetzt.

Im neuen Jahrtausend folgten als "Brückenländer" zwischen ost- und westeuropäischen Kulturen und Religionen Rumänien, Bulgarien, Ukraine und das Bürgerkriegsland Bosnien-Herzegowina.

Als Projektkoordinator wurde damals der ehemalige Generalsekretär des Gustav-Adolf-Werks (GAW, ein 1832 gegründetes Hilfswerk zur weltweiten Unterstützung evangelischer Kirchengemeinden in der Diaspora) bestimmt. Sein Name: Dieter Brandes. Finanziert werden konnte die Arbeit damals auch durch die Württembergische Landeskirche, das Hilfswerk "Kirchen helfen Kirchen" sowie zunächst auch durch das GAW.

Brandes hält sich auch heute noch immer wieder beispielsweise in Rumänien auf, um die damals gestarteten Aktionen weiter zu begleiten. Nachdem im Jahr 2008 Brandes schließlich das "Ökumenische Institut für Healing of Memories" in Hermannstadt/Sibiu gründete, wurde die damit mögliche Versöhnungsarbeit in die Mitte Afrikas in die Länder Kenia, Ruanda, Kongo und Burundi ausgedehnt. Angesichts der vielen Betroffenen müsse die Arbeit niederschwellig und ohne bürokratische Hürden geschehen, erläutert Brandes. Dass sich Versöhnung nicht einfach von alleine einstellt und ein aktives Aufeinanderzugehen benötigt, ist im Nachbarland Kongo zu sehen. Eine Insel inmitten vom aggressiv geprägten Chaos des ehemaligen Bürgerkriegs stellt ein vom evangelischen Entwicklungsdienst "Brot für die Welt" unterstütztes Ausbildungsprojekt in der Grenzstadt Bukavu dar. Die evangelische Kirchengemeinde Schwenningen hilft hier intensiv seit der Adventszeit im vergangenen Jahr mit, ehemaligen Kindersoldaten eine Lebensperspektive zu geben. Unter dem Motto "Gitarren statt Gewehre" können junge Menschen dort in einem der 19 Ausbildungsgänge Gitarren-Instrumentenbauer werden. Das biblische Friedensmotto "Schwerter zu Pflugscharen" könnte kaum besser umgesetzt werden.

Im kommenden Bericht über das Engagement der evangelischen Kirchengemeinde berichten wir über "Gitarren statt Gewehre".

Spenden für das Bildungsprojekt "Gitarren statt Gewehre" nimmt die Kirchengemeinde unter folgendem Konto entgegen: Evangelische Kirchengemeinde Schwenningen, Stichwort: "Gitarren statt Gewehre", Sparkasse Schwarzwald-Baar, IBAN DE86 6945 0065 0001 3544 30.