Das Betreuungsteam aus der Fördererstraße in Villingen (von links) mit dem Afghanen Abdul: Alireza Dovatolhagh, Jana Grieb und Slavica Brkic. Foto: Huber

Unbegleitete Flüchtlinge erzählen von ihrem Leben. Anwohnergespräch "gute Basis".

Villingen-Schwenningen - Markus aus VS kommt vom Training nach Hause und isst mit seiner Familie. Auch der gleichaltrige Abdul kommt eines Abends heim, sein Elternhaus ist zerbombt, Mutter und Vater unter den Trümmern begraben. Der 18-jährige Afghane flüchtet und lebt nun in Villingen.

Abdul kommt aus Afghanistan, Lamin aus Gambia: Zwei von insgesamt zwölf unbegleiteten minderjährige Asylbewerbern (Umas), die seit Anfang August in der Fördererstraße in Villingen leben. Weitere sechs junge Leute sollen in den kommenden Wochen dazu kommen und in die ehemaligen Offiziershäuschen ziehen. Die Heranwachsenden werden nicht nur von Uwe Hüls, Sozialarbeiter bei der zuständigen Arbeiterwohlfahrt betreut, zum Team im "Immigrants corner" in der Fördererer Straße gehören auch Sozialarbeiterin Jana Grieb, Slavica Brkic (Auszubildende) und Bezugsbetreuer Alireza Dovatolhagh. Und damit habe man einen ausreichenden Personalschlüssel, so Grieb im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten.

Die beiden 18-Jährigen, der Gambier und der Afghane, haben aus ganz unterschiedlichen Beweggründen ihre Heimat verlassen. Lamins Vater ist Imman und wurde festgenommen, weil er bestimmte Gebete an einem bestimmten Tag nicht beten wollte. Seine "liberale Haltung" habe ihn ins Gefängnis gebracht. Als ältester Sohn der Familie sei er ebenfalls in Gefahr gewesen. "Jungen in meinem Alter", erzählt er, werden von Islamisten in Trainingscamps gesteckt oder gleich nach Syrien geschickt. Abduls Eltern dagegen arbeiteten als Polizisten in Afghanistan. Als er eines Abends mit seinem kleinen Bruder nach Hause kam, hatte eine Bombe das Gebäude zerstört. Seine Stimme wird extrem leise und brüchig: "Meine Eltern wurden dabei getötet." Für den Anschlag wurden radikale Islamisten verantwortlich gemacht. Der junge Mann sinkt kurz in sich zusammen. Fast täglich erlebt die islamische Republik Afghanistan Anschläge. Gambia ist politisch instabil, immer wieder wird über massive Menschenrechtsverletzungen und außergerichtliche Hinrichtungen berichtet. Während der Gambier übers Mittelmeer nach Europa kam, wählte der Südasiate die damals noch freie Balkanroute.

Schnell kommt das Gespräch auf Probleme, die es mit ein paar Anwohnern wegen der "zu hohen Lautstärke" gegeben hat. "Durch das gemeinsame Gespräch mit uns und der Stadtverwaltung", bilanziert Uwe Hüls, sei sehr viel Druck herausgenommen worden.

"Fragen von Angesicht zu Angesicht"

"Es war wichtig, dass Fragen von Angesicht zu Angesicht beantwortet wurden." Jana Grieb ergänzt: "Die Nachbarn wissen, dass sie sich auch weiterhin mit Beschwerden an uns wenden können." Was manche Nachbarn als "Risikopotential" sehen, möchte auch Hüls nicht schönreden. Diese befürchten, dass, wie in anderen Einrichtungen, recht bald Drogen eine Rolle spielen. "Wir haben einen besonderen Blick drauf", bemerkt Hüls. Allein durch intensive Betreuung erkenne man sehr schnell, ob jemand Drogen nehme, so der Sozialarbeiter. "So etwas wollen wir hier nicht, und das wissen unsere Jungs auch ganz genau."

Wer hier in der Fördererstraße lebt, sei gut integriert und selbstständig, so das Sozialarbeiter-Team. Zuvor waren die jungen Männer im Haus Regenbogen untergebracht, die erste Anlaufstelle in VS für Umas. Wer in den einstigen Offiziershäuschen lebe, der habe auch mittlerweile sogar die schwäbische Kehrwoche verinnerlicht, so Grieb. Die jungen Flüchtlinge erledigen ihre Einkäufe und kochen selbst, reinigen das Haus und wollen im Frühjahr gemeinsam einen Garten anlegen.

Während Abdul in einem Villinger Verein Fußball spielt, geht Lamin lieber spazieren. Kontakte zu anderen Jugendlichen haben alle Hausbewohner. Die jungen Männer gehen in Vorbereitungsklassen für Ausbildung und Beruf, Lamin absolviert bereits ein Praktikum im AWO-Altenheim in Schwenningen. Dort gefällt es ihm so gut, dass er am liebsten eine Ausbildung als Altenpfleger machen würde. Abdul strebt eine Arbeit im Polizeidienst an. Einen Praktikumsplatz hat er noch nicht. Generell, erklärt Jana Grieb, sei es schwierig Praktika-Plätze in heimischen Betrieben zu finden. Das Interesse der jungen Leute sei da und auch der Ehrgeiz, bald ein ordentliches Deutsch zu sprechen. Offen ist das Team aus der Fördererstraße für Besucher: "So lassen sich am besten Vorurteile abbauen."