Teil drei unserer 24-Stunden-Reportage: Zu Besuch im Sportunterricht der Gartenschule-Zweitklässler

Von Alicja Bienger

Villingen-Schwenningen. Um acht Uhr morgens erwacht überall der Tag zum Leben: Die Supermärkte öffnen, die Mitarbeiter trudeln im Büro ein, und in den Schulen beginnt die erste Stunde. Bei der Klasse 2a in der Gartenschule ist das immer mittwochs der Sportunterricht.

Wer denkt, nur in Büros geht’s frühmorgens geschäftig zu, der irrt. Um 8.15 Uhr herrscht in der Schwenninger Gartenschule reges Gedränge. Eltern liefern ihre Sprösslinge am Klassenzimmer ab, Lehrkräfte und das Schulpersonal laufen, bewaffnet mit Aktenordnern und Taschen, durch die Gänge. Überall hört man Gespräche, Rufe, Gelächter. In der Klasse 2a ist es heute morgen besonders unruhig. Die Kinder sind hibbelig und schauen alle paar Minuten auf die Uhr. Denn diese erste Stunde jeden Mittwoch lieben die Zweitklässler ganz besonders: den Sportunterricht. "Die sind ganz heiß auf Sport", lacht Ramona Halder. Die junge Lehrerin unterrichtet seit 2012 Sport und andere Fächer an der Gartenschule und genießt die Sportstunden mit ihrer quirligen Klasse genauso wie die Kinder selbst. Bevor es losgeht, muss Ramona Halder noch die üblichen Anfragen und Probleme ihrer Schützlinge managen: Eine Schülerin streckt ihr ein Poesiealbum entgegen, in dem sie sich verewigen soll; ein Schüler gesteht mit gesenktem Kopf, dass er seine Sportkleidung vergessen hat. Dann, endlich, ertönt er, der ersehnte Gong: Punkt 8.25 Uhr geht es mucksmäuschenstill im Gänsemarsch in Richtung Turnhalle. Drei Stunden Sport stehen in der Woche insgesamt auf dem Stundenplan. Für ihre Zweitklässler hat Ramona Halder sich für die kommenden Wochen ein ganz besonderes Sportprogramm ausgedacht: ein Zirkus-Zirkeltraining. An fünf Stationen gilt es, über Balken zu balancieren, Tänze mit bunten Tüchern zu üben oder sich in akrobatischen Einlagen zu versuchen. "In den ersten Jahren wird die Grundlage für die kommenden Klassen gebildet", erläutert Halder den Lehrplan. "Bei uns stehen deshalb Spiele, Boden- und Geräteturnen sowie erste Übungen in Leichtathletik auf dem Programm – alles spielerisch und kindgerecht." Die 28-jährige Junglehrerin ist glücklich mit "ihrer" 2a: "Das ist eine ganz, ganz liebe Klasse", schwärmt sie, "es gibt keine Disziplinarprobleme." Schwierig werde es manchmal, wenn hohe Konzentration gefragt ist – so wie jetzt, denn die Klasse plant eine kleine Aufführung ihrer im Sportunterricht gelernten Kunststücke. Als auch der letzte Nachzügler die Umkleidekabine verlassen hat (Halder lachend: "Einige Mädchen brauchen immer besonders lang"), dürfen die Zweitklässler gleich mit ihrer Lieblingsübung beginnen: Ein riesiges, buntes, fallschirmähnliches Tuch wird aufgespannt, in dem die Kinder zunächst einen Ball balancieren müssen, bevor sich das Tuch in ein Zirkuszelt verwandelt: Auf Ramona Halders Kommando setzen sich alle auf die Innenseite des Tuches, ein Kind stellt sich in die Mitte und bildet so den Mast. "Das habt ihr super gemacht", lobt Halder ihre Schützlinge. Doch Meister fallen bekanntlich nicht vom Himmel, und so heißt es weiterhin: üben, üben, üben. In kleinen Gruppen schwärmen die Kinder zu den verschiedenen Stationen aus. Ramona Halder hilft, wo es nötig ist, ob beim Handstand, bei der Pyramide oder beim Jonglieren. Das läuft nicht immer einwandfrei und teilweise noch etwas unkoordiniert, aber die Jungen und Mädchen haben sichtlich Spaß an den Übungen. Alle zehn Minuten wird gewechselt, und erstaunlich schnell ist die Sportstunde fast vorbei. "Wer kann schon eine Zwischenvorstellung geben?", fragt Ramona Halder, als alle Kinder sich wieder im Kreis auf den Boden gesetzt haben. Fast alle Hände schnellen in die Höhe – am Ende fällt die Wahl auf zwei Mädelsgruppen, die stolz zeigen, welche Choreografie sie sich fürs Jonglieren mit den bunten Tüchern ausgedacht haben. Kurz nach 9 Uhr ertönt der Gong, und im Gänsemarsch geht’s zurück nach oben in die Umkleidekabinen. Dermaßen erfrischt von der Bewegung, dürften die restlichen Unterrichtsstunden den Zweitklässlern heute nicht mehr schwer fallen.

24-Stunden-Reportagen: An einem Tag geschieht ziemlich viel. Aber was genau? Wir suchten rund um die Uhr 24 verschiedene Orte in Villingen-Schwenningen auf und beobachteten eine Stunde lang, was dort passiert. Daraus sind 24 Reportagen entstanden, die sich hier in der nächsten Zeit wiederfinden.

Von Marc Eich

Villingen-Schwenningen. Konzentriert löten die Männer Bauteile für den Synchronmotor eines Zählers, um ihn später in das Gehäuse einzubauen. Keine ungewöhnliche Arbeit – aber eine ungewöhnliche Umgebung. Denn wir befinden uns im Villinger Gefängnis.

Es ist 7 Uhr – seit rund 25 Minuten sitzen die zwölf Häftlinge im Arbeitsbetrieb der Untersuchungshaftanstalt in der Villinger Innenstadt. Fünf Tage die Woche, insgesamt 35 Stunden. Doch das große Geld kann man hinter schwedischen Gardinen nicht machen – "und bezahlt wird nur nach Leistung", erklärt Frank Serowy, der Leiter des Arbeitsbetriebs in Villingen. So bekommt ein Untersuchungshäftling, bei voller Arbeitsleistung 95 Cent die Stunde, der Strafgefangene wird mit 1,70 Euro die Stunde vergütet.

Trotz des überschaubaren Lohns: "Die Leute sind gewillt zu arbeiten". Kein Wunder: Mit dem Geld kann der Tabak oder Kaffee, die Milch das Müsli oder auch Nutella bezahlt werden. Um sich das Leben hinter Gittern wenigstens etwas zu versüßen. Zumindest die Strafgefangenen haben ihren Monatslohn allerdings nicht zur freien Verfügung, vier Siebtel davon werden direkt als Rücklage angespart.

Mit einem einfachen Antragszettel bewirbt man sich bei Serowy, der anschließend entscheidet, wer für die Arbeiten geeignet ist. "Da ich für die Qualität verantwortlich bin, suche ich mir die Leute natürlich aus", erklärt der 59-Jährige, der vor seiner Laufbahn als Vollzugsbeamter den Beruf des Elektromechanikers gelernt hat. Die monatlich bis zu 5000 zusammengebauten Zähler müssen natürlich den Ansprüchen der Firma, die in der Region ihren Sitz hat, genügen. Entsprechende Kontrollen und ISO-Normen sorgen dabei für gleichbleibende Qualität und eine gute Auftragslage. Das ist auch für die Gefangenen wichtig, damit sie zumindest siebeneinhalb Stunden am Tag eine Beschäftigung haben.

Angst vor Übergriffen muss man dabei in dem im Jahr 1996 zum Arbeitsraum umgebauten Obergeschoss keine haben. "Zu Streitigkeiten unter Häftlingen kommt es hier quasi nie und auch für mich gab es bislang keine kritischen Situationen – schließlich gebe ich den Menschen Arbeit", erklärt der Betriebsleiter. Schwierigkeiten gebe es lediglich manchmal bei der Verständigung: "Ich muss oftmals mit Händen und Füßen erklären – glücklicherweise haben wir hier aber auch andere Gefangene, die übersetzen können." Das ist für den einwandfreien Arbeitsablauf von großer Bedeutung, denn auch im Gefängnis muss man auf Termin liefern, "da müssen die Leute auch schon mitziehen." Dass trotz der oftmals schwierigen Situationen im Gefängnis alles funktioniert, ist auch die manchmal nicht einfache Aufgabe von Karl-Heinz Beha, dem Dienstleiter der JVA Villingen, der für den reibungslosen Ablauf im ganzen Haus verantwortlich ist.

Um 11.30 Uhr steht derweil das Mittagessen auf dem Programm: An diesem Tag gibt es Brokkoli Nußecke mit Salzkartoffeln und einer hellen Soße, sowie einem Joghurt. Danach geht es bis 15 Uhr mit der Arbeit weiter. Nach dem einstündigen Hofgang und dem Duschen (drei Mal pro Woche und nach dem Sport), folgt von 16.30 Uhr bis 17 Uhr das Abendessen (Mischbrot und Heringssalat). Zwischendurch ist es zudem möglich, zwei Mal wöchentlich den Sozialarbeiter zu kontaktieren, Gespräche mit dem Rechtsanwalt zu führen oder auch Besuch zu empfangen.

Bis 19 Uhr bleibt Zeit für Freizeit im Gemeinschaftsraum – beispielsweise Kickern oder Karten spielen. "Anschließend sind die Insassen wieder in ihren Zellen, ab dann gibt es keine Gefangenenbewegung mehr", so Serowy.

Die an diesem Tag insgesamt 24 Häftlinge müssen also bis zum nächsten Morgen in den Zellen ausharren, Frühstück gibt es bereits um 6.10 Uhr. Egal ob arbeitender Gefangener oder nicht: Ausschlafen kann hinter den dicken Mauern der Villinger Anstalt also definitiv niemand.