Jan Ilhan Kizilhan an seinem Schreibtisch in der Donaueschinger Klinik am Vogelsang: Er ist Professor an der Dualen Hochschule Villingen-Schwenningen, Psychologe und Experte der Transkulturellen Psychiatrie und Traumatologie. Er hilft traumatisierten Flüchtlingen aus den syrischen Kriegsgebieten ihre vielfach grauenhaften Erlebnisse zu verarbeiten und wieder zurückzufinden in ein möglichst "normales" Leben. Foto: Beathalter

Jan Ilhan Kizilhan hilft zusammen mit Studenten den Flüchtlingen aus Kriegsgebieten im Nordirak.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Er kommt gerade aus dem Nordirak zurück, wo er an der Universität in Dohuk ein Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie ins Leben gerufen hat: Jan Ilhan Kizilhan, international anerkannter Experte für Transkulturelle Psychiatrie und Traumatologie.

Kizilhan ist Professor und Studiengangleiter an der Dualen Hochschule Villingen-Schwenningen, wo er bis zu 50 Studierende unterrichtet. Seit Dezember ist er dabei, an der Donaueschinger Mediclin-Klinik am Vogelsang eine Abteilung für transkulturelle psychosomatische Rehabilitation auf den Weg zu bringen.

Sein Augenmerk richtet sich auf das neue Institut im irakischen Dohuk, eine 400 000-Einwohner-Stadt, die durch Flüchtlinge aus den syrischen und irakischen Kriegsgebieten auf eine Million Menschen angewachsen ist. Das Institut wird mit finanzieller Hilfe und ideeller Unterstützung des Landes Baden-Württemberg angeschoben und startet bereits im Februar. Das Ziel ist, 30 bis 60 Studenten auszubilden, damit diese vor Ort den traumatisierten Menschen aus den Kriegsgebieten helfen können.

Die von Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor zwei Jahren ins Leben gerufene Hilfsaktion für 1100 jesidische Frauen und Mädchen, die in verschiedenen Städten des Landes untergebracht sind, hat auch im Schwarzwald-Baar-Kreis ihre Spuren hinterlassen: Rund 20 dieser Kriegsopfer leben inzwischen in Villingen-Schwenningen und dem Landkreis. Sie haben grauenhafte Erfahrungen gemacht. Es sind tief greifende Kriegserlebnisse in Syrien oder dem Irak, die man kaum wirklich verarbeiten kann. Sie wurden von den Milizionären des Islamischen Staats (IS) als Geiseln oder Sexsklavinnen missbraucht. Bekamen Schläge, mussten Morde mit ansehen, litten unter Terror oder wurden mehrfach vergewaltigt. Viele von ihnen mussten mit ansehen, wie ihre Männer enthauptet wurden. Eine Mutter erzählt von ihrer zweijährigen Tochter, die tagelang in einer Kiste der glühenden Sonnenhitze ausgesetzt wurde und am Ende starb. Grauen, das kaum zu ertragen ist.

Jan Ilhan Kizilhan und sein Team versuchen es trotzdem. Sie helfen, so gut es geht, wahren dabei, so gut es eben geht, auch die nötige fachliche Distanz und versuchen, in Einzelgesprächen und in Gruppensitzungen, die traumatisierten Menschen zu behandeln. "Wir sind bei Diagnostik und Therapie auf die Sprache angewiesen", sagt Kizilhan, "wir versuchen, auf realistische Weise die Befindlichkeit der Opfer zu erfahren."

Aber es sind natürlich nicht nur kriegstraumatisierte Frauen aus arabischen, kurdischen oder türkischen Kulturkreisen, die psychiatrische Hilfen benötigen. Manchmal sind es auch Menschen, die hierzulande in ihren Familien mit Migrationshintergrund groß geworden sind und Gewalt unterschiedlicher Art erfahren haben.

Aber in allen Fällen braucht es medizinisches Personal, das diese Sprachen spricht und die jeweiligen familiären, sozialen oder kulturellen Hintergründe kennt oder sich in sie hineinversetzen kann. Es sind Themen wie Diskriminierung, häusliche Gewalt, Zwangsverheiratung, psychisch markante Störungen in der neuen Umgebung, die jeweils kulturell vorgeprägte Art, wie Menschen mit Stress, gravierenden Erlebnissen und Schmerzen in ihrer Psyche umgehen. Es gelte die jeweilige psychische Störung und "emotionalen Befindlichkeiten" zu übersetzen. Es gehe darum, die psychische Krankheit aus der Kultur heraus zu verstehen.

Das Ziel ist es, den Menschen ihren psychischen Druck zu nehmen. Am Beispiel einer jungen Jesidin beschreibt Kizilhan, wie traumatisierte Menschen unter Albträumen leiden. Die Frau fühle sich durch die Vergewaltigungen geschändet und entehrt, sie leide unter Ängsten und großer Unruhe, habe das Vertrauen verloren, sehe immer nur IS-Terroristen vor sich. In langwieriger Arbeit gehe es darum, die Frau wieder zu stabilisieren, die schrecklichen Symptome zu reduzieren und das Vertrauen wieder zu gewinnen.

Opfer sollen ihr Trauma als Teil ihres Lebens akzeptieren

Alles andere als ein einfaches Unterfangen. Dennoch ist Kizilhan davon überzeugt, dass diese Arbeit zum Erfolg führe. Auch wenn man solch einschneidende Erfahrungen niemals vergessen könne: Die Opfer sollen "ihr Trauma akzeptieren, es nicht verdrängen und nicht verleugnen. Das Problem soll aber nur noch ein Teil ihres Lebens sein".