1893 wurde die St. Franziskuskirche gebaut. Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimat: Serie: Die Türme und Türmle Schwenningens / Katholischer Kirchturm in evangelischer Stadt erbaut

Eine katholische Kirche in einer evangelischen Stadt? Heute nichts Besonderes, 1893 aber eine Ausnahme. Der damals erbaute Kirchturm von St. Franziskus ist ein Spiegelbild der Geschichte Schwenningens, als mit der Industrialisierung auch ein Bevölkerungswandel einherging.

VS-Schwenningen. "Ein bisschen zu klein ist er geraten", sagt Stadtführer Franz Müller über den Turm der St. Franziskuskirche in Schwenningen. Dessen rote Backsteine und die mit Schiefer bedeckte Spitze wirken vermutlich nicht ohne Grund etwas unauffällig. Denn bei der Erbauung der katholischen Kirche in Schwenningen sei im Jahr 1893 eine anderweitige Baugenehmigung schwierig zu bekommen gewesen, schließlich war die Stadt damals noch "total evangelisch". "Der Kirchturm durfte deshalb wahrscheinlich nicht höher sein als der der protestantischen Stadtkirche", vermutet Müller lachend.

Im Zuge der Industrialisierung wurden die zusammengewürfelten Konfessionen in der Neckarstadt jedoch schnell zum Alltag – schließlich zogen immer mehr Menschen wegen der Arbeitsplätze in den Fabriken aus den Dörfern in die Stadt.

Zifferblätter von Uhrenfabrik gestiftet

"Damals waren von 7000 Einwohnern schon 700 katholisch", weiß Franz Müller. Der Rentner kennt sich mit der Geschichte Schwenningens bestens aus und gibt sein Wissen bei Führungen durch die Stadt oder ihr Moos weiter.

Auch viele Fakten über die Kirchen befinden sich in seinem Repertoire: Die St. Franziskuskirche kann er beispielsweise der Epoche der Neugotik zuordnen – obwohl sie einige romanische Elemente, wie zum Beispiel Rundbogenfenstern, aufweise. "Das war eben der damalige Baustil – eindeutig Historismus", weiß Müller. Der Architekt Josef Cades habe in ganz Württemberg 39 Kirchen dieses Baustils errichtet.

Die markanten goldenen Uhren an der Außenseite, die von allen Seiten sichtbar sind, machen das Bauwerk jedoch einzigartig, schließlich sind sie eindeutig schwenningerisch. Sie wurden vom Besitzer der Württembergischen Uhrenfabrik, Richard Bürk, und seiner katholischen Ehefrau gestiftet – zu einer Zeit, in der solche "Mischehen" noch sehr unüblich waren. Damals wurden die Glocken, die unter dem Dach des 38-einhalb Meter hohen Bauwerks versteckt sind, auch noch mit einem Seil per Hand geläutet.

Glocken werden im Krieg eingeschmolzen

Der Eingang dort hinauf befindet sich im Altarraum der Kirche. Eine Holztür führt ins verstaubte Innere, in das nur düsteres Licht fällt. Bis auf den Mesner steigt heute dort nur selten jemand hoch – schließlich wird inzwischen alles elektronisch gesteuert.

Ursprünglich wurden drei Glocken, die aus einer Villinger Gießerei stammten, per Hand geläutet. Während der beiden Weltkriege mussten diese zum Teil jedoch eingeschmolzen werden und wurden als Kriegsmaterial verwendet. Erst an Ostern 1953 war das Set wieder komplett – dank einer Leihgabe aus Polen, die bis heute zwischen den hölzernen Dachbalken des St. Franziskus-Turmes hängt. Um näher an die Glocken heranzugehen, heißt es viele Stufen zu steigen und den Kopf einzuziehen. Je zwei Glocken mit einer Höhe von etwa einem Meter und einem Durchmesser von 1,50 Meter hängen übereinander.

Zur Viertelstunde wird es unter dem Dach des Turmes dann plötzlich laut: Erst surrt es elektrisch, dann beginnt der Boden zu vibrieren und ein Hammer schwingt von außen an die Glocke, um ganz Schwenningen, egal welcher Konfession, die Uhrzeit mitzuteilen.