Frau eines Demenzerkrankten berichtet aus ihrem Alltag / Bummel oder Ausflug an den See kaum noch möglich

Von Eva-Maria Huber

Villingen-Schwenningen. Ein Einkaufsbummel oder ein kurzer Kaffee mit der Freundin? "Ich kann nirgends mehr hin", erzählt Margit S. (Name von der Redaktion geändert). Die Mittsechzigerin pflegt ihren dementen Mann seit Jahren zu Hause. Trotz des Kraftaktes will sie ihn nie weggeben: "Er gehört zu mir."

Die beiden leben in einer Wohnung in der Doppelstadt. Es ist still an diesem Nachmittag, der Ehemann ist in einer Gruppe für Demenzkranke der Diakonie im Schwarzwald-Kreis. Drei Mal die Woche, etwa vier Stunden "vorausgesetzt, dass er nicht unruhig wird und nach Hause möchte". Wenn es gut geht, dann kann sie das erledigen, was liegengeblieben ist: Wäsche bügeln, putzen und nochmals putzen. Ansonsten hat sie sehr viel zu erzählen aus dem Alltag, der sich nur noch auf einen Menschen fixiert und genau das abbildet, was die Mitarbeiter des Arbeitskreises Demenz im Schwarzwald-Baar-Kreis als Weg in die eigene soziale Isolation bezeichnen. Margit S. sieht dieses Risiko, jedoch nicht für sich selbst.

"Wir haben in der Familie einen starken Zusammenhalt", berichtet sie von Söhnen und Tochter, nebst Enkeln, die sich auf die veränderte Situation eingestellt haben und sie unterstützen: "Und dies wirkt sich auch auf das Verhalten meines Mannes aus." Trotz zerplatzter Träume vom gemeinsamen Altern hadert sie nicht mit ihrem Schicksal., auch wenn es längst keine Gespräche oder Unterhaltungen mehr gibt: "Es ist halt so."

Wenn die Mitglieder des Arbeitskreises Demenz über ihre Erfahrungen mit Angehörigen sprechen, dann wird vor allem zweierlei deutlich: "Viele Pflegende gehen bis an den Rand der Belastbarkeit und manchmal auch darüber hinaus", berichtet Gerlinde Kastl, Pflegeberatung der Schwenninger Krankenkasse.

Auch Margit S. leistet Schwerstarbeit. Täglich muss die 65-Jährige ihren Mann mehrfach sauber machen, waschen, die Betten abziehen und mit allerlei unangenehmen Angewohnheiten umgehen. "Mein Mann spuckt immer wieder überall hin." Mit ihm irgendwohin fahren? "Das geht nicht, wo soll ich die Windeln wechseln?" Sie berichtet mit einem Selbstverständnis und ohne jegliche Bitterkeit. Nur manchmal, da "kommen mir schon mal für ein paar Minuten die Tränen".

Sie erinnert sich noch gut an die Anfänge der Erkrankung: Ihr Mann klagte über Schwindel und Kopfschmerzen, auch begann der Handwerker nicht mehr so akkurat zu arbeiten, wie es Auftraggeber gewohnt waren. Eine Untersuchung in der Röhre brachte die niederschmetternde Wahrheit an den Tag. Sie kann sich noch gut daran erinnern, wie sie die Ablagerungen im Gehirn auf dem Röntgenbild anstarrte.

Bilder, die sie erst verdrängte. Sie hatten doch noch so viel vor, so kurz vor seiner Rente. Und dann der Alptraum mit einer Krankheit leben zu müssen, die sich jahrelang hinziehen kann. "Ich wollte dies anfangs nicht wahrhaben."

Schätzungen zu Folge gibt es im Schwarzwald-Baar-Kreis rund 3200 Demenzkranke (Stand 2012), etwa 70 Prozent aller Patienten werden zu Hause gepflegt. Trotz der Belastung sagt Margit S. mit fester Stimme: "Solange es geht, kommt mein Mann in kein Heim." War sie nicht doch ab und zu kurz vor dem Kippen, wenn sie in der Nacht erneut das Bett abziehen und den Boden schrubben musste? "Nein, er kann doch nichts dafür. Und ich spüre, dass er sich bei mir wohl fühlt."

Angehörige von Demenzkranken können einige Dienste in Anspruch nehmen, um Entlastung zu bekommen. Informationen unter Telefon: 07721/ 913 7456 (Pflegestützpunkt Schwarzwald-Baar, Carina Burger) oder unter r.buentjen@lrasbk.de (Regina Büntjen, Arbeitskreis Demenz, Landratsamt).