Frauen verteidigen sich mit Pfeffersprays. Foto: dpa/Becker

Absatz an Pfeffersprays steigt gewaltig. Rekordanmeldezahlen bei Kursen in Villingen-Schwenningen.

Villingen-Schwenningen - Sind es die Messerstecherei und der Amoklauf in Nachbarlandkreisen oder die Übergriffe in der Silvesternacht, die auch bei Frauen aus VS für Verunsicherung sorgen: Die Nachfrage nach Selbstverteidigungskursen steigt und Pfeffersprays sind in manchen Läden ausverkauft.

Die Meldungen über Attacken und bundesweite Übergriffe in der Silvesternacht verunsichern auch viele Frauen aus VS: Die Nachfrage nach Selbstverteidigungskursen steigt und Pfeffersprays sind in den Läden ausverkauft.

Die Frau, um die 50, ist es seit Jahren gewohnt, bei Dunkelheit zu ihrer Arbeitsstelle zu gehen. Ein mulmiges Gefühl hatte sie schon immer, doch seit den Vorfällen in Stuttgart, Köln und anderen Großstädten ist die Verunsicherung einer großen Angst gewichen. "Ohne Pfefferspray gehe ich nicht mehr aus dem Haus", erzählt sie.

Solche Emotionen kennt Andreas Braun nur zu gut aus seinem Geschäftsalltag. Schon seit Herbst, berichtet der Geschäftsführer von Jagd und Sport VS, habe er auffallend mehr Pfeffersprays und Reizgas verkauft. Tendenz steigend. Mittlerweile müsse er ständig nachbestellen, "unsere Pfeffersprays sind ausverkauft". Der deutliche Anstieg hänge möglicherweise auch mit den Gewaltdelikten in den Nachbarlandkreisen zusammen, mit Amoklauf in Tuttlingen und tödlicher Messerstecherei in Deißlingen. Doch die Einrichtung von Erstaufnahmestellen in VS und damit der Flüchtlingstrom und der Zuzug von hauptsächlich vielen jungen Männern mit einem teils völlig anderen Frauenbild schüre Ängste, die durch die bundesweiten Vorfälle in der Silvesternacht nicht gerade weniger geworden wären.

"Die Leute sind stark verunsichert", beobachtet auch ein anderer Geschäftsbesitzer aus der Doppelstadt, bei ihm habe der Verkauf von Pfeffersprays "extrem zugenommen". Klare Sache, wer zu Reizgas und Pfeffersprays greift: "Zu mehr als 90 Prozent sind das Frauen", berichtet Geschäftsführer Braun aus Schwenningen. Männer, erläutert er, decken sich zum eigenen Schutz eher mit Schreckschusswaffen ein, für die man den kleinen Waffenschen besitzen müsse.

Doch so einfach ist es mit den Mitteln zur eigenen Verteidigung dann doch nicht. "Die Polizei registriert die sogenannten Selbstverteidigungsmittel nicht als solche, sondern als Angriffsmittel gegen Opfer. Denn auch der möglicherweise berechtigte Einsatz bewirke in der Regel, dass Personen Verletzungen erleiden, so dass generell eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung an die Staatsanwaltschaft vorgelegt wird", heißt es aus der Pressestelle des Polizeipräsidiums Tuttlingen. Erst in der Folge werde durch die Justiz festgestellt, ob der Einsatz von Selbstverteidigungsmitteln im Rahmen der Notwehr gerechtfertigt war. Außerdem: "Der richtige Umgang mit einem Selbstverteidigungsmittel bedarf der Übung, vor allem in einer Stresssituation. Mitgeführte Selbstverteidigungsmittel können auch gegen das Opfer zum Einsatz kommen – man bringt sich unter Umständen also selbst in Gefahr."

Die Alternative? Das Belegen eines Selbstverteidigunskurses. Wie in anderen Städten ist die Nachfrage nach solchen Kursen deutlich gestiegen. Einer der örtlichen Anbieter, der Polizeisportverein VS, kann bestätigen, "dass solche Kurse deutlich mehr als früher nachgefragt werden". "Viele Frauen fühlen sich einfach nicht mehr sicher", bemerkt einer der Kursleiter.

Bei dem jüngsten Selbstverteidigungskurs, haben sich 45 Frauen statt den üblichen 15 bis 20 Frauen angemeldet. "Seit Anfang des Jahres kontaktieren uns fast täglich Frauen oder Eltern, die sich über die neuesten Kurse oder Trainingsmöglichkeiten informieren wollen.

Einige Trainer wurden sogar in der Villinger Innenstadt direkt auf das Angebot angesprochen." Falk Berberich, Geschäftsführer von Sportschule VS und DEFCON, bietet beides, Sprays und Kurse. Der Absatz von Pfeffersprays habe seit Silvester nochmals deutlich zugelegt, "und seither klingelt auch unser Shoptelefon auffallend oft". Zudem sei das Interesse an Selbstverteidigungskursen stark gestiegen.