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Porträt / Stephan D. Weisser initiiert interkulturelles Integrationsprojekt

Die überlangen Fingernägel seiner rechten Hand lässt er alle sechs Wochen in einem Nagelstudio mit einer Gelschicht überziehen. Nicht aus modischen Gründen – Stephan D. Weisser ist Gitarrist.

Villingen-Schwenningen. Mit den Musiknoten auf dem Daumennagel und einem Ohrstecker in Form einer Gitarre macht der 45-Jährige seine Leidenschaft auch auf andere Weise sichtbar, und meistens ist er mit Gitarrenkoffer anzutreffen. Hauptsächlich ist er als Musikpädagoge sowohl an der Musikakademie VS als auch seit 20 Jahren an der Jugendmusikschule in St. Georgen unterwegs.

In Stuttgart geboren wusste Stephan "Daniel" Weisser schon als 13-Jähriger, dass er die Musik einst zu seinem Beruf machen würde. Entgegen so manchen Bedenken – "obwohl die Zeiten für Musiklehrer damals noch besser waren als heute"– setzte der Waldorfschüler dieses Vorhaben unbeirrt in die Tat um. An der Stuttgarter Musikschule nahm er schon früh Gitarren- und Klavierunterricht, studierte dann klassische Gitarre und elementare Musikpädagogik an der Musikhochschule Trossingen und in Schweden. Zahlreiche Seminare und Meisterkurse bei renommierten Musikern sowie Begegnungen mit berühmten Komponisten beeinflussten sein Gitarrenspiel nachhaltig.

Ab 1990 konzertierte Weisser europaweit als Solist und in verschiedenen kammermusikalischen Besetzungen, seit einiger Zeit legt er seinen Schwerpunkt diesbezüglich jedoch auf die Region. Hier gibt es genug zu tun. Als Fachbereichsleiter an der Musikakademie arrangiert er zahlreiche Konzerte, wie im Juni im Muslenzentrum in Schwenningen mit 66 Gitarristen.

Familienkonzert im März

Einer der nächsten Höhepunkt wird im März im Theater am Ring in der Kulturamtsreihe "Familienkonzerte" sein. Im Auftrag des Kulturamtes bereiten Stephan D. Weisser zusammen mit Dozenten der Musikhochschule Trossingen auch die "Klangwelten der Gitarre" vor, die am 9. Juni im Chorraum des Franziskaners stattfinden werden.

Weisser kooperiert mit Schulen, bringt Schülern das Spiel mit den Saiten bei und bereitet sie für kleinere und auch größere Aufführungen vor. Aus der Schar seiner Schüler an der Musikakademie und in St. Georgen kommen immer wieder Regional- und Landessieger bei "Jugend musiziert", auch beim internationalen Wettbewerb "Gitarrophila" in Trossingen heimsten einige von ihnen schon Preise ein.

Außerdem bereitet Weisser Talente gezielt auf Castings vor. Dazu begibt sich der Klassik-Fan immer wieder gerne auch auf die Ebene des Pop und macht melodische Songs – "Halleluja", "Feels of Gold" – passend für die Gitarre. Eine Schülerin schaffte es schon zu "Voice of Germany".

Vor einem Jahr gründete Weisser das "interkulturelle Integrationsprojekt". Dabei erhalten Flüchtlinge – Kinder, Jugendliche und Erwachsene – Gitarrenunterricht und musizieren gemeinsam mit einheimischen Musikschülern. Zunächst fand der Unterricht in der Gemeinschaftsunterkunft in der Alleenstraße in Schwenningen statt. Nachdem die geschlossen wurde, wird demnächst im Villinger Jugendhaus "K3" unterrichtet. Gemeinsame Aufführungen gab es schon: unter anderen im Schwenninger "Spektrum" und bei der Kulturnacht. Die Idee zum Projekt kam Weisser, nachdem er den syrischen Flüchtling Helal al Hariri kennengelernt hatte. Inzwischen hat er sich mit dem ausgezeichneten Gitarristen als Duo zu Konzerten zusammengetan. Die beiden Männer sind auch privat Freunde geworden und das nicht nur, weil Helal "so gut kochen kann".

Den technischen Umgang mit der klassischen Konzertgitarre zu lernen, das ist für den Musiklehrer Weisser die eine Seite der Medaille. Die andere ist die Persönlichkeit und die Ausstrahlung des Musikers an den Saiten. Neben dem künstlerischen hat Stephan D. Weisser daher auch den pädagogischen Anspruch, seinen Schülern das Selbstbewusstsein zu vermitteln, das dafür die Grundlage ist. "Gesamterzieherisch lässt sich mit Musik viel erreichen", weiß er aus langjähriger Erfahrung.

Liederbuch herausgebracht

Beim täglichen projektorientierten Üben stehe die Freude am Spiel und am Zusammenspiel mit anderen immer im Vordergrund, sagt Weisser. Gerade hat er deshalb zusammen mit seiner Kollegin Felicitas Nehrlich ein Gitarrenliederbuch für den Musikunterricht herausgebracht, das sich an Gitarrenschüler zwischen vier und sieben Jahren richtet. Mit Hilfe des "GiLiBu" können ganz schnell einfache Kinderlieder in den Unterricht einbezogen werden.

Den Weg zum Musikpädagogen würde er heute wieder einschlagen, sagt Stephan D. Weisser. Ein solcher geworden zu sein, hat er nie bereut und er genießt die Zusammenkünfte mit Kollegen, Schülern und Ex-Schülern auch in seiner Freizeit. Dabei kommen natürlich immer auch die langen Fingernägel zum Einsatz.