Einser-Abiturient Mario Teising hat sich mit Uhrmacherausbildung einen Traum erfüllt / Nebenher baut er eigene Präzisionspendeluhr

Von Alicja Bienger

VS-Schwenningen. Im Abitur eine 1,0 – mit dieser Traumnote wollen viele junge Menschen Arzt, Anwalt oder Wissenschaftler werden. Nicht so Mario Teising: Der 21-jährige Musterabiturient wird lieber Uhrmacher.

Wenn Mario Teising von seiner Schwäche für Uhren erzählt, steckt er seinen Zuhörer mit dieser Leidenschaft an. Seine Augen leuchten, während er die Funktionsweise mechanischer Uhren erläutert und auf die Herausforderungen komplizierter Reparaturen eingeht. Seit zweieinhalb Jahren absolviert der gebürtige Echterdinger an der Staatlichen Feintechnikschule in Schwenningen eine Uhrmacherlehre – obwohl er, streng genommen, überqualifiziert ist.

Denn Mario Teising hat sein Abitur 2012 als Stufenbester und mit Auszeichnung abgeschlossen. Während seine Klassenkameraden allesamt an die Universitäten pilgerten, um eine akademische Karriere zu starten, entschied er sich für jenes Handwerk, das ihn bereits seit frühester Kindheit beschäftigt.

"Als ich sechs Jahre alt war, schenkte mir mein Vater eine alte Omega-Taschenuhr aus den 1930er-Jahren, die einst meinem Großvater gehört hatte", erinnert sich Teising an jenen Moment, der den Grundstein für sein späteres Leben gelegt hat. "Zuhause hatten wir eine gut bestückte Bibliothek mit einer Menge Literatur über Uhren. Ich habe die Bücher als Kind verschlungen, und spätestens mit elf wusste ich, dass ich eines Tages Uhrmacher werden würde."

Kaum hat er als 18-Jähriger das Abitur in der Tasche, erfüllt sich Mario Teising seinen Traum – und beginnt eine duale Ausbildung zum Uhrmacher, die in Teilen an der Feintechnikschule, zum Teil wiederum in seinem Ausbildungsbetrieb, einem Juwelier in Filderstadt, stattfindet. Seither hatte er Unmengen hochwertiger Zeitmesser in der Hand, für die viele Menschen bereit sind, ein Vermögen auszugeben – Uhren von Rolex, Breitling oder Patek Philippe, die er begutachtete und reparierte.

Besonders angetan haben es ihm aber antike Taschenuhren: "Es ist spannend, was sich seit der damaligen Zeit technisch verändert hat", schwärmt er. Die älteste Taschenuhr, die Teising bisher eigenhändig repariert hat, stammt aus dem späten 18. Jahrhundert – ein technisches Meisterwerk, wenn man bedenkt, dass den Uhrmachern von damals nicht einmal elektrisches Licht für die Arbeit zur Verfügung stand.

Obwohl seine Familie ihn immer unterstützte, hatte Mario Teising es anfangs nicht leicht, in seinem Umfeld Verständnis für seinen großen Traum zu wecken: "Als der Rektor meiner Schule von meinen Plänen erfuhr, musste er erstmal schlucken", lacht der junge Mann. Inzwischen hätten auch seine Freunde sich längst daran gewöhnt, dass ausgerechnet der Stufenbeste eine Ausbildung macht, für die bereits der Hauptschulabschluss ausreicht. Das Abitur jedoch hat viele Vorteile: Zum einen steigen die Chancen erheblich, später in einer renommierten Uhrenmanufaktur unterzukommen, zum anderen spart sich Teising den Besuch der Hauptfächer wie Deutsch und Englisch.

Da bleibt mehr Zeit für die Praxis, und die nutzt der leidenschaftliche Uhrmacherlehrling, wo es nur geht – auch an den Wochenenden. Immer samstags und an einem weiteren Tag in der Woche darf er in den Räumen eines befreundeten Uhrmachers in Stuttgart werkeln und dadurch viel lernen. "Er ist sehr erfahren und zeigt mir vieles. Zu ihm kommen sehr hochwertige Stücke", beschreibt der 21-Jährige.

Doch es gibt noch einen Grund, warum er so gerne dort hingeht: "Ich kann dort eine eigene Präzisionspendeluhr bauen, die ich selbst konstruiert habe", erzählt er. Die meisten Teile dafür muss er selbst anfertigen, da es für diese Art von Uhr, deren Herstellungsblütezeit im 19. und frühen 20. Jahrhundert war, keine Ersatzteile mehr gibt. "Seit zweieinhalb Jahren baue ich daran und hoffe, dass sie zum Ende meiner Ausbildung rechtzeitig fertig wird. Dann werde ich sie ausstellen."

Für seine Zukunft hat der talentierte angehende Uhrmachergeselle bereits konkrete Pläne: Nach der Gesellenprüfung wird er sich, ebenfalls an der Feintechnikschule, zum Uhrmachermeister ausbilden lassen. Danach würde er am liebsten in die Schweiz gehen, wo das Uhrmacherhandwerk eine lange Tradition hat. Die Aussichten sind jedenfalls sehr gut: "Es gibt zu wenige Anwärter für die Lehre", so Teising. "Dabei hat die Nachfrage nach hochwertigen Uhren in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Die Leute wollen einfach etwas Beständiges haben – etwas, was womöglich Jahrhunderte hält."