Astrid Sterzel (links) von Refugio begrüßte gestern im Martin-Luther-Haus in Villingen zum zweiten Offenen VS-Forum zum Thema Flüchtlinge. Foto: Heinig Foto: Schwarzwälder-Bote

Soziales: Traumatisierte Flüchtlinge werden unterstützt / Debatte beim zweiten Forum

Weltweit sind 65 Millionen Menschen auf der Flucht, davon sind 40 Prozent traumatisiert. Wiederum 85 Prozent davon sind unbegleitete Minderjährige.

VS-Villingen. Alarmierende Zahlen, die das Psychosozialen Zentrum "Refugio" gestern Nachmittag beim zweiten Offene VS-Forum im Martin-Luther-Haus in Villingen nannte. Psychologen, Pädagogen und Therapeuten hielten Vorträge zum Thema "Trauma" und sensibilisierten die rund 80 Zuhörer, die beruflich oder ehrenamtlich mit Flüchtlingen zu tun haben.

Was ist ein Trauma und wie macht es sich bemerkbar? Erst seit 1980 gelten posttraumatische Belastungsstörungen als seelische Krankheit. Das seelische "Erstarren" ist Reaktion auf "Ereignisse außergewöhnlicher und existenzieller Bedrohung, die jeden Menschen in tiefe Verzweiflung stürzen würden". Körperlich mache sich dieses "Einfrieren" bemerkbar in aggressivem Verhalten, Geistesabwesenheit, erhöhter Empfindlichkeit, Ängsten, Schlafstörungen oder Schreckhaftigkeit, erläuterte der Psychologe Manfred Kiewald. Laut der EU-Aufnahmerichtlinien seien die Mitgliedsstaaten verpflichtet, traumatisierte Menschen nicht nur unter besonderen Schutz zu stellen, sondern auch ihre Gesundheit wiederherzustellen, zitierte Refugio-Geschäftsführerin Astrid Sterzel. In Deutschland wurde das bislang aber nicht in nationales Recht umgesetzt. "Unser Gesundheitswesen ist nicht auf die Behandlung psychisch kranker Flüchtlinge eingestellt", sagt sie. Als Nichtregierungsorganisation habe sich Refugio dieser Aufgabe angenommen, trotz mangelhafter Finanzausstattung und unter eigenem Risiko, "weil wir daran glauben, dass sich das lohnt". Aus Gründen der Menschlichkeit, aber auch aus ökonomischen: zeitnah und adäquat behandelte Traumatas sparen Krankheitskosten in der Folge, ermöglichen die Integration und damit ein Le ben ohne staatliche Unterstützung.

Eine Flucht werde in der Regel ohne Information über das Ziel und als Entscheidung der ganzen Familie angetreten. Da sich viele teuren Schlepperorganisationen anvertrauen, dauert sie im Durchschnitt 78 Monate. "Sie müssen irgendwo Arbeit suchen, um ein Weiterkommen bezahlen zu können", weiß Sterzel. Dabei erleben sie durch Folter und Inhaftierung häufig weitere Traumata.