Heimatforscherin Annemarie Conradt-Mach beleuchtet Sozialgeschichte der Schwenninger Uhrenindustrie / Spannende Erkenntnisse

Von Alicja Bienger

VS-Schwenningen. "Mich interessiert nicht die Technik, mich interessiert vor allem, was die Technik mit dem Menschen macht", eröffnete Annemarie Conradt-Mach ihren Vortrag zum Strukturwandel der heimischen Industrie. Dieser förderte durchaus spannende Erkenntnisse zutage.

Seit rund einem Jahr befasst sich die ehemalige Rektorin der Schwenninger Feintechnikschule, Annemarie Conradt-Mach, intensiv mit der Sozialgeschichte der Schwenninger Uhrenindustrie. "Von der Uhrenindustrie zur Mikroprozessortechnik. Strukturwandel in der heimischen Industrie seit 1960" lautete der Titel ihres Vortrags, zu dem sich viele interessierte Zuhörer im Uhrenindustriemuseum eingefunden hatten.

Ihr Publikum dürfte die Referentin am Dienstagabend mit vielen neuen Erkenntnissen beglückt haben: Neben dem Furtwanger Uhrenforscher Johannes Graf ist Conradt-Mach nämlich laut eigener Aussage die einzige, die sich derart tiefgehend mit der Geschichte der Uhrenindustrie in der Region auseinandersetzt. Ihre These: Nicht allein die wachsende ausländische Konkurrenz und die Einführung der Quarzuhr brachten die Schwenninger Uhrenindustrie zum Erliegen, wie sie häufig in Vorträgen und Führungen erfahren hatte, sondern eine Kombination aus vielen anderen Faktoren, die einen viel tieferen Ursprung hatten.

"Die Geschichte des Niedergangs der Schwenninger Uhrenindustrie ist spannend wie ein Kriminalroman", sagte Conradt-Mach.

In der Tat fördern ihre Erkenntnisse interessante Tatsachen ans Licht: Von Unternehmern ist da die Rede, die jahrelang nicht investierten, von Firmenchefs, deren "Lösungsansätze" sich allein in radikaler Personalabbaupolitik niederschlugen, und von Persönlichkeiten, die ohne kaufmännische Kenntnisse zu Rettern der maroden Uhrenindustrie hochstilisiert wurden.

Wer erinnert sich beispielsweise noch an den Kiss Kiss-Wecker von Mauthe, den ein gewisser Dieter Reiber Ende 1974 zu vertreiben versuchte – im Alleingang, ohne den Großhandel mit ins Boot zu holen, viel zu spät fürs Weihnachtsgeschäft, viel zu teuer – und dabei gnadenlos scheiterte? Nur wenige Monate später war Mauthe am Ende.

Groß angelegte Marktstudien waren ebenfalls nicht in der Lage, den Niedergang aufzuhalten, geschweige denn ihn überhaupt erst zu erkennen. Insgesamt, fasste Conradt-Mach zusammen, begünstigten auch die hohe Exportabhängigkeit, Kapitalmangel und die hohen Sättigungserscheinungen auf dem deutschen Uhrenmarkt seit 1959 das Ende der Uhrenindustrie in Schwenningen.

In diesem Zusammenhang sei auch der generelle Rückgang des produzierenden Gewerbes hin zum Dienstleistungssektor im Laufe des 20. Jahrhunderts zu nennen, unter dem die Industrie ohnehin schon massiv gelitten hat. "Die Arbeitsplätze wären auch ohne die Quarzuhr verlorengegangen", so das Fazit der Forscherin.

Weitere Informationen: www.sozialgeschichte-uhrenindustrie.de