Sven Hinterseh mit der Erntekrone der Landjugend. Foto: Schück

Landrat Sven Hinterseh berichtet von positiven Haushalt. ÖPNV im Stundentakt nicht überall möglich. Mit Interview

Schwarzwald-Baar-Kreis - Landrat Sven Hinterseh will den Landkreis in Zukunftsfragen gut aufstellen. Im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten äußert er sich zur Haushaltslage, zum Thema Asylbewerber und zu anderen Fragen.

Wie sieht die aktuelle Haushaltslage aus? Gibt es Geld für Investitionen ?

Der Haushalt sieht momentan positiv aus. Zum einen der Haushaltsabschluss 2015, der sehr erfreulich wird. Aber auch das Haushaltsjahr 2016 läuft bislang gut. Wir konnten außerplanmäßig drei Millionen Euro für den noch zügigeren Breitbandausbau zur Verfügung stellen. Wann gibt es das sonst, dass man unterjährig drei Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen kann? Am Montag, 7. November, werde ich den Haushalt 2017 einbringen. Dann werden wir genau sehen, wie unsere Annahmen für das Jahr 2017 sein werden. Intern laufen bereits die Vorbereitungen für den Haushalt 2017. Ich hoffe, dass wir wieder einen ordentlichen Mix an Investitionen einstellen können, zum Beispiel für den weiteren Breitbandausbau, Straßen und Schulen. Für die bauliche Fertigstellung des Breitband-Backbones im Landkreis möchte ich gerne die finanziellen Mittel hinterlegen. Das werden aber sicher weit über fünf Millionen Euro sein, unser Planer ermittelt gerade die konkrete Summe, so dass ich nicht sicher zusagen kann, ob wir das alles in 2017 schaffen werden. Ansonsten müssen wir in 2018 die Schlussrate einstellen. Wichtig ist mir jedenfalls, dass wir sehr zügig mit diesem so wichtigen Zukunftsthema voran kommen. Ich persönlich würde mich natürlich auch freuen, wenn wir außerdem die Verschuldung noch etwas zurückführen könnten. Die Verschuldung des Kreises ist zwar nicht besorgniserregend hoch, aber perspektivisch wäre es gut, wenn wir natürlich die Verschuldung weiter reduzieren könnten.

In welchen Bereichen hat der Landkreis die Nase vorn?

Wir leben in einem wunderschönen Landkreis mit tollen Bürgerinnen und Bürgern. Ich definiere den Landkreis nicht über Statistiken. Es gibt sehr viele Bereiche, wo wir den Vergleich mit anderen nicht scheuen müssen. Beim Ausbau unserer Breitbandinfrastruktur sind wir sicher ganz vorne mit dabei. Bekanntlich wollen die Städte und Gemeinden und der Landkreis selbst viele Millionen Euro investieren, um unseren Bürgern die modernste Infrastruktur zur Verfügung stellen zu können. Alleine der Landkreis finanziert mit zirka. 25 Millionen Euro den sogennanten Backbone, also die Ringleitung, die in alle Städte und Gemeinden führt, um überhaupt das schnelle Internet physisch in unsere Orte zu bekommen. Wir haben den ehrgeizigen Plan, im Jahr 2017 den Backbone größtenteils baulich zu vollenden, damit die Städte und Gemeinden loslegen und ihre Ortsnetze einrichten können. In wenigen Jahren werden wir das Glasfaser flächendeckend im Landkreis zur Verfügung stellen können. 2012 haben wir diesen Prozess eingeleitet, Mitte der 20 er-Jahre wird der Kreis dann hoffentlich flächig ausgebaut sein.

Bei den Verkehrswegen gibt es zwar erfreuliche Nachrichten, aber dennoch Defizite?

Im Bereich der Landesstraßen im Schwarzwald-Baar-Kreis gibt es sehr große Defizite. Ich fordere die Landesregierung auf, die Investitionen dafür hochzufahren, so wie es im Koalitionsvertrag steht. Demnächst werde ich Gespräche im Landesverkehrsministerium führen können. Die Situation ist wirklich nicht akzeptabel – es muss hier viel mehr getan werden! Viele Landesstraßen sind in unsäglichem Zustand. Beschädigte Oberflächen sind nahezu normal geworden. Anders ist die Situation bei den Bundes- und Kreisstraßen, diese sind größtenteils in einem ordentlichen Zustand. Der Bundesverkehrswegeplan wird jetzt im Herbst im Deutschen Bundestag beraten und dann verabschiedet. Wir sind sehr dankbar, dass die B 523, also der Lückenschluss von Villingen nach Mönchweiler, in den vordringlichen Bedarf kommen wird und dass wir das gleiche wohl auch mit den Ortsumfahrungen B 27 Zollhaus und Randen erreichen werden. Die Ortsumfahrung Behla und der Ausbau zwischen Donaueschingen und Hüfingen läuft ja bereits seit einigen Monaten. Jetzt kämpfen wir noch dafür, dass die Gäubahn in den vordringlichen Bedarf kommt. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit der Gäubahn weiterkommen.

Welche Nahverkehrsprojekte stehen in den nächsten Jahren auf der Agenda?

Der derzeitige Nahverkehrsplan stammt noch aus dem Jahr 1999 und ist abgearbeitet. Wir arbeiten derzeit an der Fortschreibung und wollen diesen im Jahr 2017 im Kreistag verabschieden. Ein Ziel ist, den Ringzug in das nördliche Kreisgebiet, also bis St. Georgen oder sogar bis Triberg - zu erweitern. Derzeit läuft ein Gutachten hierzu, ob dies möglich und finanzierbar ist. Außerdem steht insbesondere die Weiterentwicklung unserer Buskonzepte, die Breisgau-S-Bahn und die Barrierefreiheit im Blickpunkt.

Der Ringzug ist schön und gut, aber im ländlichen Raum sind die Verbindungen nicht überall so gut.

Ich teile diese Einschätzung nicht. Für einen Flächenlandkreis mit über tausend Quadratkilometern Fläche haben wir ein gutes Angebot im Öffentlichen Verkehr. Es ist aber richtig, dass wir nicht in jedem unserer Orte einen Halbstunden- oder Stundentakt einführen können. Das ist nicht finanzierbar. Und insoweit wäre es eine Illusion zu glauben, dass wir Verkehre wie in einer Großstadt flächig in jedem Ortsteil abbilden können.

Was erwarten Sie von der Entwicklung des autonomen Fahrens?

Im ländlichen Raum kann das eine Riesenchance für die Mobilität sein. Wer weiß, was in zehn,20 Jahren ist.

Wie geht es mit der Höllentalbahn weiter?

Für mich ist das ein ganz zentrales Zukunftsprojekt. Es biete3ttet umsteigefreies Fahren von Villingen über Donaueschingen nach Freiburg, also von Oberzentrum zu Oberzentrum. Im Dezember 2019 wollen wir die Strecke mit modernsten Fahrzeugen in Betrieb nehmen. Alleine der Schwarzwald-Baar-Kreis wird nach derzeitigem Stand rund elf Millionen Euro Investitionskosten übernehmen, die sich aber lohnen, weil wir davon enorm profitieren werden.

Was erwarten und fordern Sie von der Evaluation der Polizeireform für den Schwarzwald-Baar-Kreis?

Es ist kein Geheimnis, dass ich die Polizeireform insbesondere in unserer Raumschaft für nicht geglückt halte. Ich würde es begrüßen, wenn das Oberzentrum Villingen-Schwenningen wieder mehr Gewicht bekäme. Die zentralen Strukturen mit vielen weiten Wegen sollte man aufbrechen und mehr dezentral organisieren. Die Polizei muss näher an die Landkreise. Die Zusammenarbeit mit der Polizei ist zwar gut, früher war sie aber noch intensiver.

Wie schätzen Sie die Folgekosten des Asylbewerberstroms für den Landkreis ein?

Vorab bin ich dankbar, dass wir die Menschen, die zu uns kamen, ganz gut unterbringen konnten und die Bürger sich so großartig engagiert haben. Das war eine sehr große Herausforderung. Ich bin zuversichtlich, dass diejenigen, die ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten werden, auch integriert werden können. Klar ist aber, dass dies natürlich erhebliche Anstrengungen – auch finanzieller Art – erfordern wird. Eine andere Lösung gibt es hierzu aber nicht, wenn wir Integration ermöglichen wollen. Enorme Integrationsbemühungen sind notwendig, ansonsten bilden sich Parallelgesellschaften. Mit dem Jahresabschlus des Haushalts 2015 werden wir eine Echtkostenberechnung vorlegen, aus der hervorgeht, wer welche Kosten bei der Unterbringung der Asylbewerber bezahlt hat.

Welche Demografieprojekte werden verwirklicht?

Momentan ein Interreg-Projekt mit dem Schweizer Nachbarkanton Schaffhausen, der Stadt Singen und den Gemeinden Königsfeld und Tuningen. Außerdem eine Strukturstudie zur Land- und Forstwirtschaft, und wir erarbeiten eine Tourismuskonzeption für den Landkreis.

Was werden Sie tun, um die Ärzteversorgung im ländlichen Raum sicherzustellen?

Der Kreis ist als Modellregion vom Sozialministerium ausgewählt worden. Zusammen mit der Universität Frankfurt findet eine Untersuchung statt, wie die hausärztliche Versorgung nach neusten Erkenntnissen gewährleistet werden kann. Wir fordern schon lange, dass die Kassenärztliche Vereinigung das kleinräumiger regeln sollte. Ich hoffe wirklich sehr, dass wir hier voran kommen.

Wie geht es in Sachen Fluglärm weiter?

Mitte September soll ein fachlicher Austausch in Berlin zu diesem Thema stattfinden. Die Landkreise und das Umweltbundesamt werden miteinander reden.

Wird das die Entscheidung des Bundesverkehrsministers zugunsten der Region beeinflussen?

Ich hoffe, dass wir mit unseren Argumenten überzeugen können. Das Thema beschäftigt uns nun schon über 15 Jahre. Wir werden weiter für unsere Interessen kämpfen und hoffen, dass die Berliner Ministerien uns dabei unterstützen.