Die Wahlplakate in Villingen-Schwenningen werden beschädigt, besprüht oder Parolen draufgeschmiert. Foto: Eich

Angesichts von Sudeleien und Zerstörungen sehen alle rot. Frau Merkel ist die Zielscheibe.

Villingen-Schwenningen - Kanzlerin Angela Merkel mit Hitlerbärtchen, Sudeleien, die niveauloser nicht sein könnten: Auch in der Doppelstadt tobt sich der Mob öffentlich aus, beschmiert und zerstört Wahlplakate der Parteien. Offensichtlich trifft es vor allem CDU und AfD.

Noch gut eine knappe Woche und dann ist auch die 19. Bundestagswahl Geschichte und die Wahlplakate der verschiedenen Parteien werden wieder abgehängt. Schon im Vorfeld der Wahlen findet Zustimmung und vor allem Ablehnung ein teils ungebremstes Ventil, in sozialen Netzwerken und auf öffentlichen Straßen, wenn es um die Konterfeis und Botschaften der Kanzlerkandidaten geht. Zerkratzte Gesichter, provozierend-primitive Kommentare und Schmierereien neben den eigentlichen Wahlaussagen.

Was Passanten mit Kopfschütteln oder ablehnenden Kommentaren quittieren, nennt Thomas Barth, Leiter des Polizeireviers Villingen, schlichtweg Sachbeschädigung. Bislang seien mehrere Anzeigen gegen Unbekannt aufgrund von Zerstörungen eingegangen. "Die Plakate werden beschädigt, besprüht oder Parolen draufgeschmiert", erläutert Barth auf Anfrage. Auch er hat den Eindruck, dass es vor allem Plakate der Christdemokraten und der höchst umstrittenen Rechtsaußen-Partei AfD trifft.

Im Falle der CDU würde Stadträtin Renate Breuning nicht Nein sagen. Sie ist sozusagen die "Tatortreinigerin" der Merkel-Partei. In letzter Zeit sieht man die Villinger Stadträtin mit Wassereimer, Putzlumpen, Terpentin und Spiritusreiniger durch die Stadt laufen. Immer wieder musste Breuning mit ihren Utensilien loslaufen und schwarze Balken über Politiker-Stirnen, weiße Farbe auf Gesichtern entfernen und manchmal auch neue Folien anbringen, wenn sie mit ihrer Reinigungs-Kunst am Ende war.

Bei ihren Rundgängen sieht sie regelmäßig Rot, meistens seien es CDU-Plakate, die beschädigt werden. "Frau Merkel ist die Zielscheibe", ärgert sie sich über solche "Idioten". Denn "das ist doch die primitivste Form des Wahlkampfes." Klaus Martin stimmt ihr zu: "Das ist ein Granatenärgernis." Der Hang zu Zerstörung oder Schmierereien, beobachtet er in VS, habe bereits im Vorfeld des Landtagswahlkampfes deutlich zugenommen. Auch der langjährige SPD-Wahlkämpfer Edgar Schurr spricht von einer Verrohung und ist entsetzt über die "Wut, die da zum Ausdruck kommt". Eine Wut, die durch das Erstarken der sozialen Netzwerke angeheizt worden sei. Letztendlich seien Beschädigungen ein betriebswirtschaftliches Ärgernis. Ein größerer Aufsteller koste mehrere hundert Euro.

Bei 300 ist Schluss

Immerhin: An den Infoständen erleben die Wahlkämpfer anderes: "Die Leute sind zufrieden, wenn sie uns auf Themen ansprechen können, die ihnen auf den Nägeln brennen", berichtet Schurr. Und auch Martin erlebte offene wie aufgeschlossene Bürger. Helga Baur verfolgt andere Ansätze. Der Bündnisgrünen ist die ganze Plakatiererei ohnehin ein "Dorn im Auge". Sie hätte gerne das, was sie in Frankreich gesehen hat: "Da hing an einer zentralen Stelle je ein Plakat des jeweiligen Bewerbers." Die AfD behielt ihre Meinung für sich und reagierte nicht auf eine Mail.

Nur bedingt hat die Stadtverwaltung mit den Wahlplakaten zu tun. Ob es um Vorgaben wie Größenordnung, Standort oder Sonstiges geht, gilt die Sondernutzungssatzung, teilt Oxana Brunner, Pressesprecherin der Stadt, mit. Insgesamt dürfen Parteien, Wählervereinigungen oder Einzelpersonen maximal je 300 Wahlplakate aufhängen oder -stellen, jeweils 100 Plakate in beiden großen Stadtbezirken, weitere 100 in den kleinen Stadtbezirken. Bei Beschädigungen sei zunächst die Eigentümerin, also die Partei, gefragt, es sei denn, zerstörte Aufsteller stellen ein Hindernis dar. Nicht mehr nur eine Sache der Polizei sei es, wenn Politiker nicht nur verunstaltet werden, sondern auch verbotene Zeichen wie das Hakenkreuz verwendet werden. "Bei Strafsachen schaltet sich die Stadt ein."

Mit Reaktionen dürfen Wahlkämpfer auch rechnen, wenn sie unerlaubt plakatieren. Dann werden die Werbemittel kostenpflichtig entfernt.