Im Schwenninger Rathaus regierte schon Otto Gönnenwein während des Dritten Reiches. Nach Kriegsende ließ er sich in einem offenen Jeep der französischen Besetzer fahren, um zu zeigen, dass von der Bevölkerung kein Widerstand ausgehe. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

NSDAP startete mehrere Amtsenthebungsverfahren / Letzter Ablösungsversuch scheiterte vor 70 Jahren

Von Madlen Falke

VS-Schwenningen. Otto Gönnenwein – dieser Name steht in Schwenningen für einen Oberbürgermeister, dem es gelang, während des Nazi-Regimes trotz seiner distanzierten Haltung zur NSDAP und mehrerer Amtsenthebungsverfahren Stadtoberhaupt zu bleiben.

Intensiv mit der Geschichte des ehemaligen Oberbürgermeister Otto Gönnenwein hat sich zuletzt Joachim Schäfer beschäftigt. In seiner Dissertation "Otto Gönnenwein 16. Mai 1896 bis 9. Januar 1963. Verwaltungsmann – Politiker – Rechtsgelehrter" konnte Schäfer Tatsachen herausarbeiten, die bislang noch nicht veröffentlich wurden. Diese neuen Details hat Schäfer in Bezug auf den letzten Versuch der NSDAP, Gönnenwein aus dem Amt zu entheben, aus Dienstakten zahlreicher Archive herausgearbeitet.

Nun jährt sich dieses Jahr zum 70. Mal der letzte Versuch der NSDAP, den Schultes aus seinem Amt zu entlassen. Am 15. März 1944 verlangt die Partei-Kanzlei der NSDAP beim Reichsinnenministerium ein weiteres Mal die Ablösung des Schwenninger Oberbürgermeisters, weil er, so geht es aus dem Brief hervor, aufgrund seiner politischen Vergangenheit als Oberbürgermeister im nationalsozialistischen Reich nicht tragbar sei.

Dem Ziel, Gönnenwein seines Amtes zu entheben, geht eine jahrelange Geschichte voraus. Bereits 1933 beschwerte sich der Schwenninger Ortsgruppenleiter der NSDAP, Michael Fischbach, über den Politiker und erreichte, dass die Vorwürfe untersucht wurden. Gönnenwein vermied es bei fast jeder Gelegenheit, sich zum NS-Regime bekennen zu müssen. So bezeichnete er den Tag, an dem er eine Hakenkreuz-Fahne am Brunnen ausrollen musste, als den schwärzesten seines Lebens.

Bei einer Rede zum Anlass der von der Regierung angeordneten "Feier der nationalen Erhebung" habe er absichtlich den Namen Hitlers nicht erwähnt. Bei einer anderen Feier hob Gönnenwein beim Singen des Horst-Wessel-Liedes nicht die rechte Hand zum Hitlergruß. "Als Erklärung gab er an, dass ihm als Nicht-Partei-Mitglied dies nicht zugestanden habe", berichtet Joachim Schäfer, der vor seinem Ruhestand Erster Vorsitzender am Oberlandesgericht in Karlsruhe war. Dies sei überhaupt eine seiner Stärken gewesen und habe ihn davor bewahrt, dass die Gestapo mit Gönnenwein kurzen Prozess gemacht habe, denn Gönnenwein habe stets mit sachlichen Fakten argumentiert und sich nicht dazu hinreißen lassen, das Regime öffentlich zu verschmähen. Diese Sachlichkeit hielt ihn auch auf seinem Posten, obwohl er kein Mitglied der NSDAP war. Sein Antrag wurde zwar zunächst am 1. August 1935 aufgenommen, jedoch nur wenige Monate später wieder für nichtig erklärt. Grund hierfür waren nicht etwa irgendwelche Verfehlungen, sondern seine Zugehörigkeit zur Freimaurer-Loge Carl zum Brunnen des Heils von 1922 bis 1933. Aus diesem Grund und der Tatsache, dass er mit Unterstützung der Deutschen Demokratischen Partei, des Zentrums und anderer bürgerlicher Parteien OB Schwenningens wurde, könne er nicht mehr jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, argumentierten die Nazis.

Ein entsprechender Erlass hätte dem Reichsstatthalter für Württemberg oder dem Reichsinnenministerium bis zum 30. Juni 1937 zugestellt werden müssen, doch kam dieser verspätet an, und somit lehnte das Reichsinnenministerium den Antrag ab. Die NSDAP versuchte, das Ministerium umzustimmen, übte selbst auch Druck auf Gönnenwein aus, bot ihm sogar eine Stelle in der Privatwirtschaft ab. Ganz offiziell teilte das Reichsinnenministerium zuletzt zum Fall Gönnenwein mit: "Auch bei nochmaliger Prüfung der Angelegenheit hat sich eine rechtliche Möglichkeit, den Oberbürgermeister Dr. Gönnenwein gegen seinen Willen aus seinem Amte zu entfernen, nicht finden lassen..."

Als Gestalter einer aufstrebenden Industrie-Stadt und als Mann, der sich seiner Zeit immer auf Fakten und Sachlichkeiten berufen hatte, blieb Gönnenwein bis 1948 im Amt.