"Gretchens Pudel" interpretiert altes Liedgut neu / Liebenswert-ironischer Auftritt im Kulturcafé

Von Wolfgang Trenkle

VS-Schwenningen. "Oh, du lieber Augustin, Augustin, Augustin, oh, du lieber Augustin, alles ist hin!" Ist das Kinderlied noch ein solches, wenn man es verjazzt? Beantworten konnten diese Frage die vielen Besucher in Härings Kulturcafé beim zweistündigen Auftritt des Pfälzer Jazz-Quintetts "Gretchens Pudel".

Die Anspielung im Bandnamen auf Goethes Faust stellt primär einen Hinweis auf deutschsprachige Lyrik dar. "Das also ist des Pudels Kern", dachte sich vielleicht so mancher Zuhörer und -schauer nach den ersten Stücken. Die Innovation bei der bislang noch kaum bekannten Gruppe mit Ralf Eßwein (Gesang), Adrian Rinck (Piano), Mischa Becker (Schlagzeug), Jan Kappes (Bass) und Jan Kamp (Posaune) liegt weniger im Text als vielmehr in dessen musikalischem Vortrag. "Liedgutrecycling" nennt sich denn auch deren Programm. Wiederverwertet wird kein kitschiger Schlager, sondern durchaus wertvolles deutsches Kulturgut: Kinderlieder, Volksweisen, Wanderlieder sowie das eine oder andere Kunstlied. In diese Spanne gehört der Augustin ebenso wie Heinrich Heines Loreley-Lied, Auszüge aus Schuberts "Winterreise" oder "Hänschen klein". Ja, der liebe Augustin bekommt tatsächlich eine ganz andere inhaltliche und emotionale Färbung bei einer verspielt-jazzigen Interpretation. Ebenso wie "Weißt du, wie viel Sternlein stehen?", "Kein schöner Land" oder "Im Frühtau zu Berge".

Beherrschten Musiker bei einem solchen Experiment ihr Instrument nicht, wäre das Ganze schnell zum Scheitern verurteilt. Doch unter der musikalischen Leitung von Adrian Rinck begeisterten die Fünf als ein perfekt aufeinander eingespieltes Team. Als Salz in der Pudel-Suppe hatten die Pfälzer noch eines dabei: jede Menge Spaß und Selbstironie. In Zeiten von Pegida ist dies vielleicht sogar notwendig, damit ein Abend mit altem deutschem Volksliedgut nicht womöglich eine üble politische Färbung vermuten lässt.

Vor allem Sänger Ralf Eßwein und Posaunist Jan Kamp verstanden es hervorragend, sich gegenseitig, die Lieder und sogar das Publikum liebenswert auf die Schippe zu nehmen. Eines der aussagekräftigsten alten deutschen Lieder auf gegenseitige Toleranz und Freiheit fehlte nicht im Repertoire und war sicherlich einer der Höhepunkte im stilvollen Recycling: "Die Gedanken sind frei!"

Etwas unfrei waren die fünf Musiker hingegen auf der kleinen Bühne im Café. Diese ist eigentlich schon durch den Flügel fast belegt. Pianist, Bassist und Schlagzeuger passten noch drauf; Sänger und Posaunist mussten davor agieren. Aber auch das klappte: ein gelungener, schöner Abend für alle Menschen, die mit ihrem kulturellen Erbe ohne Verkrampfung oder gar Verherrlichung locker-souverän umzugehen wissen.