Werner Echle (rechts), Vorsitzender des Geschichts- und Heimatvereins, überreicht Michael Raub ein Geschenk. Foto: Tocha Foto: Schwarzwälder-Bote

Vortrag: Sammlung von Wocheler bildet Grundstock für Bibliothek

VS-Villingen. Ein Mönch aus Villingen bringt Kultur an den Bodensee: Diese kühne These trug Michael Raub, Historiker und Lehrer am Wirtschaftsgymnasium, beim Geschichts- und Heimatverein Villingen vor.

Im Mittelpunkt stand Franz Sales Wocheler, der 1790 im Alter von zwölf Jahren als Schüler an das Villinger Benediktinergymnasium gekommen war und 1797 in den Orden eintrat. Als junger Mönch unterrichtete er am Klostergymnasium und war Seelsorger in Pfaffenweiler.

1820 wurde er Stadtpfarrer in Überlingen, dort gründete er den Schulfonds und die heute noch bedeutende Leopold-Sophien-Bibliothek. Bücher hatten es Wocheler zeitlebens angetan. Sein Klostereintritt war von "Studiersucht" motiviert, die 20 000 Werke in der Bibliothek der Villinger Benediktiner zogen ihn an. Als junger Pfarrer in Pfaffenweiler schaffte er 100 Bibeln für seine kleine Gemeinde an. Die traditionellen Prozessionen und Bittgänge ersetzte er durch Andachten, bei denen er oft auch über praktische Themen wie Verhalten im Alltag oder die Pockenimpfung predigte. Die Frömmigkeit der Brüdergemeinde in Königsfeld beeindruckte ihn, er war überzeugt, dass auch der Katholik hier etwas lernen könne.

Über solche Fragen berichtete er in Briefen an seinen Vorgesetzten, den Generalvikar Wessenberg in Konstanz. Die beiden Geistlichen stimmten darin überein, dass auch die katholische Kirche mit der Zeit gehen und den Bedürfnissen der Menschen entgegenkommen müsse. Raub erörterte die Frage, wie viel Aufklärung in solchen Einstellungen enthalten ist. Die Überwindung des Barockkatholizismus mit seinen pompösen Riten und Bräuchen und die Betonung von Bildung und Innerlichkeit seien ihrem Einfluss geschuldet. Von Aufklärung, die die Selbstbestimmung und Mündigkeit des Menschen zum Ziel habe, könne bei Wessenberg wie Wocheler jedoch kaum die Rede sein. Wie der aufgeklärte Absolutismus der Epoche strebten auch sie die Verbesserung von Glaube und Leben vor allem als Reform von oben an. Raub schlug daher vor, statt von "katholischer Aufklärung" eher von Reformkatholizismus zu sprechen.

Gleichwohl wurde dessen erstaunliche Offenheit deutlich, sogar noch aus heutiger Sicht: Die Gläubigen wurden ermutigt, die Bibel selber zu lesen, Mischehen waren erlaubt, selbst der Zölibat wurde kritisch diskutiert. Als Wocheler nach Überlingen kam, war der Glanz der ehemaligen Reichsstadt verblichen, die allgemeine Bildung in schlechtem Zustand. Da fand der neue Stadtpfarrer ein wichtiges Betätigungsfeld. 1830 ergriff er die Initiative, die Schulen der Stadt neu zu organisieren. Ein Jahr später stiftete er der Stadt seine eigene, aus über 10 000 teils kostbaren Bänden bestehende Büchersammlung, darunter viele aus Villinger Klöstern.

Sie bildete den Grundstock der Leopold-Sophien-Bibliothek, der ersten öffentlichen Bibliothek Badens. So hat der von Reformideen aus seiner Villinger Zeit geprägte Geistliche in der Tat die Kultur am Bodensee voran gebracht, wofür ihm die Stadt Überlingen 1878 vor dem Münster ein Denkmal setzte.