Prozess: Vorwurf gegen Ehepaar lautet auf Lohnwucher und Erpressung / Wegen vieler Befragungen langer Prozess

Schwarzwald-Baar-Heuberg (tam). Die Zeit arbeitet für ein 47-jähriges Ehepaar aus Bad Dürrheim, das sich seit Anfang November unter anderem wegen gewerbsmäßigen Lohnwuchers und Erpressung vor dem Landgericht Konstanz verantworten muss. Zwischen 2004 und 2010 sollen sie als Betreiber eines Schnellrestaurants mit mehreren Filialen in der Region – unter anderem auch einem mittlerweile nicht mehr existierenden Betrieb in Zimmern – Mitarbeiter durch Dumpinglöhne ausgebeutet, zu unbezahlten Praktika genötigt und mit unrechtmäßigen Disziplinarmaßnahmen drangsaliert haben.

Rund 265 000 Euro sollen sie durch ausbeuterische Löhne eingespart haben. Mitangeklagt ist ein ehemaliger Geschäftsführer. Der 35-Jährige soll zwischen 2009 und 2010 an den Straftaten mitgewirkt haben. Einige Anklagepunkte sind bereits verjährt. Wenigstens ein Bruchteil der mutmaßlich 300 bis 400 Geschädigten müssen in den kommenden Monaten vor Gericht befragt werden, weil die Angeklagten offenbar keinerlei Angaben zu den Vorwürfen machen wollen.

"Vertragsstrafe" für Azubi

Folgt man dem Bericht einer 27-jährigen Zeugin, die am vierten Prozesstag befragt wurde, so herrschte in den Sandwichfilialen des Ehepaars ein merkwürdiges Rechtsverständnis.

Äußerst sachlich berichtete sie, was sie in 14 Monaten Mitarbeit in verschiedenen Filialen der Kette erlebte. Mit 17 bewarb sie sich, ursprünglich strebte sie eine Ausbildung zur Bürokauffrau an. Zunächst sollte sie aber ein "Praktikum" machen, vier Wochen lang und unbezahlt. In dieser Zeit habe sie wie eine volle Arbeitskraft gearbeitet. Erst dann habe es für sie einen Ausbildungsvertrag für die Systemgastronomie gegeben, und dann auch 481 Euro Ausbildungsvergütung. Als Lehrling habe sie dann im Prinzip das Gleiche gemacht wie vorher als "Praktikantin": Gemüse herrichten und Brote nach Wunsch der Kunden belegen. Einen Tag lang habe sie im Büro zugucken dürfen, wie Bestellungen gemacht wurden. Sie habe von Filiale zu Filiale "springen" müssen, je nachdem, wo sie gebraucht wurde. Einmal habe sie sich dazu hinreißen lassen, für einen Freund Rabattmarken der Fastfood-Kette im Wert von 42 Euro zu klauen. Als das rauskam, gab es nicht nur eine Abmahnung, sondern 500 Euro "Vertragsstrafe". Der Chef habe ihr ein allgemein gehaltenes Formular zum Unterschreiben vorgelegt: "Vertragsstrafe" stand da drauf, der Diebstahl wurde gar nicht erwähnt. Sie habe sich keine großen Gedanken gemacht, sagte sie, und unterschrieben. Die in Selbstjustiz verhängte Geldstrafe musste sie mit ihrem mageren Lehrlingsgehalt in Raten abstottern. Als sie einmal richtig krank war, sei die Chefin unter einem Vorwand bei ihr Zuhause aufgetaucht, um sie zu kontrollieren. Am Richtertisch wurden danach etliche andere, von ihr unterzeichnete ominöse Dokumente vorgelegt.

Lohn drastisch gekürzt

Laut Anklage soll einer Kollegin der Lohn ebenfalls drastisch gekürzt worden sein, weil ihr wegen eines defekten Temperaturreglers eine Ladung Kekse verbrannte.

Bis Anfang März will das Gericht weitere Zeugen befragen. Zwei Versuche einer Prozessabsprache sind gescheitert.

Im Fall umfassender Geständnisse waren Strafen in Aussicht gestellt worden, die noch zur Bewährung hätten ausgesetzt werden können. Die beiden Hauptangeklagten sollten aber zusätzlich einer Vermögensabschöpfung im fünfstelligen Bereich zustimmen. Das kommt für deren Verteidiger überhaupt nicht in Frage. Für sie ist die Anklage fehlerhaft, der Schaden wesentlich geringer.