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Gerhard Labor wetter gegen "staatlich verordnete Armut"

Seit sein letzter Arbeitgeber, eine onkologische Reha-Klinik in Bad Dürrheim, vor drei Jahren pleite ging, ist Gerhard Labor auf Arbeitssuche. Der Kreisvorsitzende des Sozialverbandes VdK weiß wie kein anderer, was Menschen in persönlichen Notlagen brauchen.

Villingen-Schwenningen. Gerhard Labor kennt sich aus. Besonders im Sozialrecht. Seit 1993 wird der 63-Jährige immer wieder als ehrenamtlicher Richter an das Sozialgericht in Reutlingen gerufen.

Nach seinem Studium war er in der Erwachsenenbildung mit Langzeitarbeitlosen und in der Altenhilfeberatung tätig. Er hat Zusatzqualifikationen in Betriebswirtschaftslehre und im Qualitätsmanagement, als Datenschutzbeauftragter und Schuldnerberater. Sein Wissen gab er zusammen mit seinem VdK-Vorstandsteam allein im Jahr 2016 bei rund 560 Beratungsgesprächen weiter. Dabei ging es immer wieder auch um Grundsicherungsbescheide.

"Ich habe keinen einzigen gesehen, der korrekt war", sagt Labor. Abgesehen davon, dass derlei amtliche Schreiben für die meisten Menschen nur schwer lesbar seien, wie er bemängelt. Glück habe dann, wer VdK-Mitglied ist und mit fachkundiger Unterstützung Einspruch erheben kann. Beim Stichwort "Hartz IV-Regelsatz", sieht Gerhard Labor rot. "Das ist staatlich verordnete Armut", wettert er. Ein Leben jenseits des Existenzminimums mache krank, "Frauen sterben dann laut einer Studie des Robert-Koch-Institutes acht, Männer sogar elf Jahre früher". Auch der Niedriglohnsektor ist ihm ein Dorn im Auge. "800 000 Deutsche leben von Mini-Jobs und brauchen ergänzende Hilfen". Mit wie vielen Fallstricken man beim Kontakt mit der Deutschen Rentenversicherung, den Versorgungsverwaltungen an Landratsämtern, Pflege- und Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Jobcentern, Integrations- und Sozialämtern zu kämpfen hat, davon können Gerhard Labor und seine VdK-Kollegen ein Lied singen. Aber sie wissen, wie man sich im Behördendschungel behaupten kann. "Wir helfen und begleiten bei allen sozialrechtlichen Angelegenheiten".

Gerhard Labor stammt aus Schwenningen, besuchte die Friedenschule, lernte bei der Firma Steinel zunächst den Beruf des Elektromechanikers. Zugleich war er immer auch ehrenamtlich in der Katholischen Jugend tätig. Daher entschied er sich damals gegen ein weiterführendes Studium zum Ingenieur, sattelte um und studierte in Freiburg "Sozialplanung und Gemeinwesenarbeit".

Diplomarbeit befasst sich mit der Wohnsituation von Menschen mit Behinderung

Seine Diplomarbeit befasste sich mit der Wohnsituation von Menschen mit Behinderung. Seine Erkenntnisse darin setze er 1982 beim Bau eines barrierefreien Wohnhauses in der Hammerhalde um, in dem er bis heute mit seiner Frau Brunhilde lebt, die seit einer Kinderlähmung im Rollstuhl sitzt. In einer Initiativgruppe von Menschen mit und ohne Behinderung an der Volkshochschule lernten sich die beiden kennen. Brunhilde Labor ist heute nicht nur im VdK-Beirat, sondern auch im Städtischen Behindertenbeirat engagiert.

Als "Armutszeugnis für die Stadt" bezeichnet Gerhard Labor die Tatsache, dass der Posten der städtischen Behindertenbeauftragten lediglich ein Mini-Job ist. Er wünscht sich, dass der Senioren- und der Behindertenbeirat der Stadt stärker zusammenarbeiten, "da ist noch viel Luft nach oben", findet er. Schließlich sind zu hohe Bordsteine und nicht barrierefreie Eingänge zu öffentlichen Gebäuden sowie unzulässig genutzte Behindertenparkplätze die Probleme beider Organisationen. Und Probleme sind für Gerhard Labor dazu da, gelöst zu werden – am wirkungsvollsten gemeinsam.

Er wünsche sich, dass Menschen, die Hilfe brauchen, sich diese auch besorgen, sagt er. "Dr. Google" helfe bei der Antwort auf die Frage "Wo kann ich mich informieren?" Und häufig liege Hilfe gar nicht so weit entfernt, "im Idealfall sogar im eigenen Wohnquartier", weiß Gerhard Labor und führt das Ehrenamtsprojekt "Lorettotreff" in der Hammerhalde als Beispiel an. Oder den Sozialverband VdK, den er auf Kreisebene leitet und dessen stellvertretender Vorsitzender er auf Ortsebene ist. Seine Sprechzeiten sind dienstags, donnerstags und freitags von 9 bis 12 Uhr sowie donnerstags von 14 bis 17.30 Uhr in der Kreisgeschäftsstelle im Abt-Gaisser-Haus.

Sein Einsatz für den VdK leistet Gerhard Labor derzeit mit voller Kraft. Zeit bleibt daneben aber freilich auch für seine fünf Patenkinder, für die Gartenarbeit und das Lesen von Fachliteratur. Am liebsten würde der Sozialrechtsexperte allerdings wieder auf dem Arbeitsmarkt aktiv werden.