Die Kinder sind Statisten in Sexvideos und Gegenstand wilder Sexfantasien. Auch ein Baby ist betroffen. (Symbolfoto) Foto: Sunny Chan/ Shutterstock

Prozess vor Landgericht Konstanz. 42-jähriger Mann und 31-jährige Frau belasten sich gegenseitig.

Villingen-Schwenningen/Konstanz - Man könnte meinen, sie liebten Kinder. Sie ist vierfache Mutter, er sechsfacher Vater. Seit Montag aber sitzen die 31-jährige Frau und der 42-jährige Mann aus Villingen-Schwenningen auf der Anklagebank im Landgericht Konstanz: Es geht um schweren sexuellen Missbrauch von Kindern.

Damals, 2012/2013 waren sie noch ein Paar. Ihr ältestes Kind hat die Frau mit 15 viel zu jung zur Mutter werden lassen. Sie war mit ihrem dritten Kind schwanger, als 2011 die verhängnisvolle Beziehung der beiden Angeklagten begann – 2017 sollte das vierte Kind der Frau, ein Junge, daraus hervorgehen. Ihr ältestes Mädchen war erst acht oder neun Jahre alt, als sie, laut Anklage, 2012 und 2013 gezwungen worden sein soll, ihren Stiefvater oral und per Hand zu befriedigen. Auf Handybildern seien beide, so die Ermittler, zweifelsfrei erkennbar.

Statisten in Sexvideos und Gegenstand wilder Sexfantasien

Jahre später, 2017, soll das gemeinsame Baby im zarten Alter von sechs Wochen mehrfach von der eigenen Mutter missbraucht worden sein – Szenen mit dem Penis des Babys in ihrem Mund. Das zweitjüngste Kind der heute 31-Jährigen sowie eine Tochter des Mannes sollen unfreiwillig Zeuge ihrer derben Sexualität geworden sein – sie sind Statisten in Sexvideos und Gegenstand wilder Sexfantasien und "sehr extremer Verbalerotik" in Videos. Ein Kommissar der Ermittlungsgruppe "Video" zitiert abartige Aussagen aus tausendfachen Chatverläufen. Er wolle "der Erste in ihr" sein, habe der Mann einmal über die älteste Tochter der Frau gesagt. Für ein Missbrauchs-Video des sechswöchigen Babys habe er Regieanweisungen gegeben, wie die Mutter den elterlichen Oralsex mit ihm zelebrieren und für ihn filmen solle. "Mehr, mehr", habe er dann gefordert, so ein Zitat. Sie verneinte, der Junge schreie gerade zu sehr, er erwiderte: "Dann mach’ es ihm richtig geil, dann hört er auf."

Jetzt, als Angeklagte, trennen beide Welten. Sie beschuldigen sich gegenseitig. Er, ein gestandener Mann, gepflegte Erscheinung in gestreiftem Hemd und mit gestyltem Kurzhaar-Schnitt, schildert mit brüchiger Stimme, er könne sich an nichts erinnern – sicher habe sie ihn mit K.O.-Tropfen willenlos gemacht, um die Fotos des Missbrauchs ihrer Tochter zu erstellen. Das sähe ihr ähnlich, sie habe einmal ihre eigene Vergewaltigung unter Betäubung nachstellen wollen, und ihm Fantasien über den Missbrauch ihrer großen Tochter nach der Gabe von K.O.-Tropfen "in den Kopf gepflanzt". Für den Polizisten unwahrscheinlich – die Körperhaltung spreche nicht die Sprache eines Bewusstlosen. Der Stiefvater aber bleibt mit tränenerstickter Stimme dabei – er habe das Mädchen nie missbraucht. Das Video vom Missbrauch des Babies habe er gefordert, "aber nur", um einen Beweis für ihre Sexfantasien gegen sie in der Hand zu haben, da sie ihn terrorisiert und mit dem Missbrauchs-Bild ihrer Tochter erpresst habe. "Letztendlich musste ich mich selbst belasten, um sie zu belasten."

Das Mädchen ritzt sich

Da schüttelt die Frau mit den langen, glatten Haaren und den Piercings im Gesicht den Kopf. Eine ihrer wenigen Gefühlsregungen an diesem ersten von zwei Prozesstagen. Fast gleichgültig sitzt sie sonst da. Ihre Version: Sie sei von ihm unter Druck gesetzt, genötigt und erpresst worden. Als sie das sagt, ist die Öffentlichkeit zwar aus dem Saal verbannt, doch als er später alles bestreitet, wird klar, wie sie ihn gezeichnet hat: ein gewalttätiger Tyrann, vor dem sie Angst hat.

Was stimmt? Das soll der Prozess zeigen. Für die Polizisten scheint der 42-Jährige die treibende Kraft gewesen zu sein in einer unfassbaren Familiengeschichte, die 2013 fast juristisch aufgearbeitet worden wäre: Das missbrauchte Mädchen hatte damals einer Schulkameradin erzählt, sie habe den Eltern beim Sex zusehen müssen. "Großer Wirbel, Jugendamt" – doch dann widerrief das Mädchen, die Sache verlief (vorerst) im Sande. Heute wird sie von einer Familienhelferin als fröhlich beschrieben – erst in Schilderungen ihrer Tante werden Spätfolgen klar: Das Mädchen ritzt sich, verletzt sich, wohl, um alte Wunden zu schließen.