Die Referenten des Fachtages vor dem Publikum im gut besetzten Hörsaal der Dualen Hochschule Foto: Schück Foto: Schwarzwälder-Bote

Fachtagung: Soziale Arbeit im Kontext von Flucht und Migration / Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wichtiges Thema

2014 kamen 1500 unbegleitete jugendliche Flüchtlinge ins Land, jetzt sind es über 8000. Für Wolf-Dietrich Hammann, Ministerialdirektor im Ministeriums für Soziales und Integration, geht es "letztlich auch um das Thema Geld". Er betonte: "Die Jugend ist das Kapital".

Schwarzwald-Baar-Kreis. Den Flüchtling "als Figur, die bestehende Grenzen hinterfragt und überschreitet" schilderte Susanne Maurer von der Philips-Universität in ihrer philosophisch gehaltenen Key-Note "Soziale Arbeit als Grenzbearbeiterin im Kontext von Flucht und Migration". Diesem Thema widmete sich ein Fachtag an der Dualen Hochschule in Schwenningen. Veranstalter waren der Kommunalverband für Jugend und Soziales und der Studiengang "Jugend-, Familien- und Sozialhilfe".

130 Leitungskräfte von Jugendämtern folgen den Fachvorträgen

Die Veranstaltung stieß auf große Resonanz: Mehr als 130 Leitungskräfte der Jugend- und Sozialämter folgten den Fachvorträgen. Unter ihnen auch Jürgen Stach, Sozialdezernent des Schwarzwald-Baar-Kreises. In einer Podiumsdiskussion berichtete er über Veränderungen bei öffentlichen Trägern der Jugendhilfe, dem Kreisjugendamt und der Stadt Villingen-Schwenningen. Während es Anfang des Jahres nur zwei unbegleitete minderjährige jugendliche Flüchtlinge im Schwarzwald-Baar-Kreis gegeben habe, so berichtete Stach von einem starken Anstieg gegen Ende 2015. Aktuell leben 97 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Landkreis, wie Stach darstellte. "Damit ist die Aufnahmequote erfüllt". Die Jugendlichen kommen unter anderem aus Afghanistan, Eritrea und Gambia. Fünf Träger im Kreis kümmern sich um stationäre Hilfen, vier Träger organisieren Betreutes Wohnen und zwei Gastfamilien haben jugendliche Migranten sozusagen in Vollzeitpflege aufgenommen. Ausgebaut werden sollen Patenschaften für die minderjährigen Flüchtlinge ab Januar 2017. Stach, der zusammen mit Michael Spielmann von der Liga der Freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg, Eva-Maria Münzer, Sozialdezernentin Breisgau-Hochschwarzwald und Roland Kaiser vom KVS Dezernat Jugend-Landesjugendamt auf dem Podium diskutierte, konnte von positiven Erfahrungen berichteten. Wie zum Beispiel die gute Zusammenarbeit mit den freien Jugendhilfeträgern im Landkreis. Allerdings waren und sind gewaltige Herausforderungen unter hohem Zeitdruck zu meistern. Zu Beginn gab es kein Personal.

"Die Anforderungen ändern sich ständig und die Kommunen zahlen"

Die Kosten der rechtzeitigen Bereitstellung von Hilfsangeboten lägen, so monierte Stach, einseitig bei den Kommunen. "Die Anforderungen ändern sich ständig. Zuerst stand das rechtzeitige Bereitstellen von Hilfen mit der Grundversorgung im Vordergrund. Jetzt geht es um qualifizierte Integration", so Stach.

Unbegleitete Jugendliche, so Ministerialdirektor Hammmann, werden künftig nach dem Königsfelder Schlüssel verteilt. Baden-Württemberg nimmt 13 Prozent auf. Ein Eckpunktepapier des neuen Ministeriums, das bis zum Jahresende vorliegen soll, "darf nicht der Einstieg in Standardabsenkung sein",forderte Hammann. "Ziel des Landes ist es, Standards zu erhalten, denn die Jugend ist unser Kapital." Jugendrechtliche Anforderungen sollten flexibel gestaltet werden, "aber nicht im Sinne eines Zurückgehens".

Prävention bei der Polizei, so streifte der ehemalige Landespolizeipräsident sein früheres Arbeitsfeld und zog eine Paralelle, "ist ein wichtiges Thema und jeder Euro gut angelegt".

Sozialdzernent Jürgen Stach schlug anschließend vor, die Einhaltung von Standards über ein geregeltes Verfahren des Landes sicherzustellen. So könnte das Land die vorläufige Inobhutnahme und Verteilung vornehmen.

Hammann lobte die von Brigitte Reinbold und Andreas Polutta organisierte Tagung als überaus gute Idee. Sein Ministerium wolle den "Zukunftsplan Jugend" realisieren, wobei durchaus auch begleitete Jugendliche einbezogen seien. Er halte es für wichtig, dass die Jugendlichen sich ehrenamtlich und sozial engagierten, beispielsweise beim Roten Kreuz und bei der Feuerwehr.

"Die Jugendlichen müssen raus aus den Unterkünften. Sie sollen im urbanen Raum leben und nicht am Rande der Stadt", forderte der Ministerialdirektor. Mit dem "Gesellschaftsministerium" sollen Soziales und Integration vereint werden, wobei Hammann lieber den Begriff "Partizipation" verwendet. "Wir haben viel zu lange geleugnet, dass wir ein Einwanderungsland sind", betonte er. Das müssen wir nun akzeptieren".