Anwälte, Richter und Rechtspfleger zweifeln an Sinn der anstehenden Gesetzesreform.
Villingen-Schwenningen - Die Bundesregierung plant eine Reform der Insolvenzverfahren: Die Sanierung von Unternehmen soll erleichtert und Gläubiger gestärkt werden. Praktiker sehen weder Bedarf noch Chancen in dem Gesetzesentwurf, der 2012 in Kraft treten soll.
Verbraucherinsolvenzen haben zugenommen
Läuft der Geschäftsbetrieb bei Eröffnung des Insolvenzverfahren noch, können 80 Prozent der Unternehmen saniert werden, schätzt Schleich. Leider werde der Insolvenzantrag aber in vielen Fällen zu spät gestellt. »Viele Unternehmer glauben, ihren Betrieb noch aus eigener Kraft retten zu können«, erläutert der Experte für Insolvenzrecht die Beweggründe. Zudem hätten sie Angst, im Verfahren »ausgeliefert« zu sein.
Möglickeiten der Eigenverwaltung sollen erweitert werden
Die Möglichkeiten zur Eigenverwaltung eines insolvenzgefährdeten Unternehmens sollen erweitert werden. Im Kern steht zudem eine Konzentration der Insolvenzgerichte auf je einen Standort pro Landgerichtsbezirk. Die zuständigen Richter bekämen dadurch mehr Routine, argumentiert die Regierung.
Zudem sollen Richter künftig für das Planverfahren zur Entschuldung eines Unternehmens zuständig sein, das bislang – ebenso wie die gesamte Abwicklung ab Verfahrenseröffnung – von Rechtspflegern übernommen wird.
Gläubiger könnten von Neuerung profitieren
Ein weiteres Ziel: Die Rolle der Gläubiger soll gestärkt werden. Bei Verfahren von Unternehmen ab zwei Millionen Euro Bilanzsumme, zwei Millionen Umsatz und zehn Mitarbeitern soll ein Gläubigerausschuss gebildet werden, der einen Insolvenzverwalter benennen oder zumindest sein Profil definieren kann. »Nicht praktikabel«, urteilen Anwälte, Rechtspfleger und Richter. Das Verfahren verzögere die Abwicklung nur und sollte auf Großunternehmen beschränkt werden.
»ESUG – Unwort des Jahres oder der große Wurf?«, fragte Achim Müller, Landesvorsitzender des Bunds Deutscher Rechtspfleger (BDA) gestern bei einer Podiumsdiskussion von Vertretern aus der Praxis mit Bundesrechtsausschussvorsitzendem Siegfried Kauder (CDU) im Villinger Amtsgericht.
Gläubiger haben kaum Interesse an der Abwicklung
In 70 Prozent der Insolvenzverfahren gingen die Gläubiger leer aus, berichtete Kauder. Entsprechend gering sei ihr Interesse an der Abwicklung. Die Praktiker bezweifeln, dass die Reform dem entgegen wirken könnte. Lediglich Großbanken könnten davon profitieren.