Jubiläum: Zum 40-jährigen Bestehen des Weißen Rings spricht ehemaliger BKA-Präsident Jörg Ziercke

Die Anschlagshäufigkeit wird auch in Deutschland steigen. Diese Prognose machte Jörg Ziercke, ehemaliger BKA-Präsident, bei seinem Vortrag anlässlich der Feier des 40-jährigen Bestehens des Weißen Rings.

Schwarzwald-Baar-Kreis. Zwar nannte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Opferhilfe-Organisation in seinem Festvortrag mit dem Thema "Wie bedroht ist die innere Sicherheit in Deutschland wirklich?" im Landratsamt verschiedene Möglichkeiten der Bedrohung: Neben islamistischem Terrorismus auch Gewalt von rechts und von links, Mafiagruppen und Amok-Einzeltäter. Und er erklärte, dass die Zunahme der Wahrscheinlichkeit von Anschlägen islamistischer Terroristen schon seit Jahren steige, nicht erst seitdem die Flüchtlinge nach Europa strömen. "Terror ist eine Entwicklung, die wir seit vielen Jahren kennen", sagte er und zeigte in Bildern die Anschläge, die begangen oder verhindert wurden, angefangen bei dem auf das World Trade Center. "Der Islamische Staat hat es nicht nötig gehabt, mit Flüchtlingen Terroristen einzuschleusen, die kamen auch vorher nach Deutschland." 520 "Gefährder" in Deutschland und 850 Ausreisen nach Syrien innerhalb von drei Jahren zählte der Schleswig-Holsteiner auf. Deutschland gelte als Rückzugsland der potenziellen Terroristen. 140 Deutsche hätten sich dem islamistischen Terror angeschlossen und seien in Syrien gestorben, "eine erschreckend hohe Zahl", wie Ziercke findet. "Die Terrorgefahr ist nicht vorbei, wenn der Krieg in Syrien beendet ist", erklärte Ziercke. Im Gegenteil, die Gefahr von Anschlägen in Europa könne dann steigen.

"Eine stärkere Integration der Muslime soll die Terrorangst zurückdrängen. Ist das wirklich realistisch?", fragte der ehemalige Präsident des Bundeskriminalamtes und antwortete selbst: "Wahrscheinlich sind wir überfordert". Unter anderem nannte er "enorme Identitätsprobleme" der jungen Muslime als Hindernis.

Nach den Anschlägen von Paris habe sich die Islamistenszene in Deutschland vervierfacht. Unter anderem ein gemeinsames Terrorabwehrzentrum, das täglich tagt und Antiterrordaten speichert, nannte Ziercke als einen möglichen Grund, dass solche Anschläge wie in Paris und Brüssel bisher in Deutschland verhindert worden seien. Wenn solche Anschläge im Ausland passierten, sei aber Alarmbereitschaft auch in Deutschland angesagt

Der Weiße Ring im Schwarzwald-Baar-Kreis präsentierte sich beim Festabend als junge engagierte Gruppe. "Wir helfen Opfern von Straftaten von Schonach bis Blumberg, von Schönwald bis Tannheim", sagte der Vorsitzende Jochen Link. Durchschnittlich 120 Opfer im Jahr werden betreut. Mit 9000 Euro wurde im vergangenen Jahr Opfern geholfen. Wichtiger sei aber die psychische Betreuung, der persönliche Beistand, sagte Link, der einen Anstieg von Sexualstraftaten berichtete.

Ein Grußwort sprach die Bundestagsabgeordnete Kordula Kovac, die vier Personen von der Ortsgruppe des Weißen Rings nach Berlin einlud.

Rechtsdezernentin Barbara Kollmeier erklärte in Vertretung von Landrat Sven Hinterseh, der Weiße Ring sei in 40 Jahren in beachtlicher Weise gewachsen. Die Aktualität des Vortragsthemas von Ziercke mache betroffen, zumal gerade ein Tatverdächtiger mit einem selbst gebastelten 1,5-Kilo-Sprengstoffgürtel entdeckt worden sei. "Wow, was sind wir aktuell", so Kollmeier. "Das ist in der Tat eine neue Qualität" erklärte Ziercke zum Auftreten "fanatischer Einzeltäter" wie in Würzburg, Ansbach und jetzt in Chemnitz. Ein weiteres neues Phänomen ist der sogenannte "Mumbai-Style": "Ein Täter schlägt nicht einmal, sondern mehrfach zu". Wie beispielsweise in Paris. Aber auch die rechte Szene in Deutschland stelle eine Bedrohung dar, Anschlusstaten könnten geschehen.