Manuel Dreyer ist Integrationsbeauftragter des Kreises. Foto: Eich Foto: Schwarzwälder-Bote

Interview: Integration der Flüchtlinge rückt nun immer mehr in den Fokus / Passende Begegnungsmöglichkeiten fehlen

Schwarzwald-Baar-Kreis. Seit Januar dieses Jahres ist Marcel Dreyer Integrationsbeauftragter des Schwarzwald-Baar-Kreises. Der 26-Jährige absolvierte ein Studium der Sozialen Arbeit mit Schwerpunkt Netzwerk- und Sozialraumarbeit an der DHBW VS, und arbeitet währenddessen an einer Fachstelle für Kinder- und Jugendarbeit, Bürgerschaftliches Engagement und Integration in seinem Wohnort Schramberg. Im Gespräch mit unserer Zeitung gibt Dreyer Einblicke in die aktuellen Herausforderungen und die veränderten Aufgabenstellungen im Bereich der Integrationsarbeit.

Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge geht seit einiger Zeit zurück, Zeit durchzuatmen?

Das könnte man auf den ersten Blick so meinen. Tatsächlich ist es aber so, dass sich die Aufgabenstellungen verändert haben und es eine enorme Kraftanstrengung ist, verbindliche Strukturen für die veränderte Zugangssituation zu schaffen. Bei einem hohen Flüchtlingszugang konzentrierten sich die Hauptaufgabenfelder auf die Unterbringung, (finanzielle) Versorgung der Flüchtlinge und bei der sozialen Betreuung um den Erhalt einer Integrationsfähigkeit. Hier lag eine Hauptzuständigkeit beim Landkreis und dem Bereich der vorläufigen Unterbringung – in der Regel sind das Gemeinschaftsunterkünfte. Vieles, auch die enorm wichtige ehrenamtliche Betreuung, war daran ausgerichtet. Jetzt rückt die Anschlussunterbringung in den Gemeinden immer noch mehr in den Blickpunkt.

Was ändert sich dadurch und worauf liegt jetzt der Schwerpunkt?

Integration, Spracherwerb, nachhaltige Strukturen beispielsweise in Kindergarten und Schule bis hin zu Bemühungen um Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse bekommen nun eine ganz andere Qualität, mit veränderten Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten. Dies alles soll nicht dem Zufall überlassen werden, sondern es sind verbindliche Absprachen in ganz vielen Bereichen zu treffen und es muss Transparenz hergestellt werden. Viele Aufgabenbereiche und unterschiedliche Institutionen müssen stärker zusammengebracht und teilweise auch befähigt und koordiniert werden. Eine Mega-Zukunftsaufgabe, mit der sich die Verwaltung beschäftigt und unter anderem mit einem Integrationskonzept gerade versucht, einen qualifizierten Lösungsansatz zu finden. Daneben geht es um Abbau von Wohnplätzen in der vorläufigen Unterbringung, Aufbau von Wohnplätzen in der Anschlussunterbringung, Personalanpassungen und so weiter.

Das klingt nicht, als wenn es im Bereich der Flüchtlingsarbeit nun weniger zu tun gibt.

Was denken Sie, wie sich der Zustrom von Flüchtlingen im kommenden Jahr verändern wird?

Es gibt von keiner Seite eine verlässliche Prognose, auch nicht vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Wir hören davon, dass in Afrika viele Menschen angeblich auf gepackten Koffern sitzen, können aber überhaupt nicht beurteilen, was das bedeutet. Beim Landkreis orientieren wir uns für 2017 an der Finanzkalkulation des Bundes und leiten daraus unsere Annahmen ab. Danach gehen wir planerisch noch von einem Zugang von 540 Flüchtlingen im gesamten Jahr aus. Keine festen Planungen haben wir auf den Bereich des Familiennachzugs und reagieren diesbezüglich auf tatsächliche Gegebenheiten.

Wäre man auf einen erneuten Anstieg der Flüchtlingszahlen vorbereitet?

Das kommt darauf an, wie hoch der Anstieg ist. Der Landkreis hat derzeit wesentlich mehr Unterbringungskapazitäten, als benötigt. Die Überkapazitäten werden, auch aus wirtschaftlichen Gründen, abgebaut, ein Teil jedoch in einen sogenannten "Stand By Modus" versetzt. Das heißt im Bedarfsfall können entsprechende Gebäude relativ schnell wieder reaktiviert werden. Diese Vorgehensweise lässt sich jedoch nicht auf das Personal übertragen. Hier bauen wir aktuell Personal ab, das vermutlich nur sehr schwer wieder zeitnah aufgebaut werden kann. Außerdem kommt es nicht nur darauf an, wie wir als Kreisverwaltung vorbereitet sind, sondern unter anderem wie aufnahmebereit unsere Bevölkerung und deren Unterstützungsleistung ist, sowie der weiteren Organisationen und Institutionen. Natürlich nutzen wir die Zeit, um Strukturen zu schaffen, um bei einem temporären Anstieg der Flüchtlingszahlen nicht völlig überrascht zu sein, allerdings hat die tatsächliche Leistungsfähigkeit auch Grenzen.

Worauf liegt bei Ihrer Arbeit derzeit der Fokus? Welche Herausforderungen gibt es zu meistern?

Meine Funktion als Integrationsbeauftragter ist die Gesamtkoordinierung sowohl hier im Haus als auch in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und sozialen Trägern vor Ort. Darüber hinaus kümmere ich mich um die Sozialplanung – beispielsweise, um den Bedarf an Sprachförderung zu erheben und ggf. anzupassen. Das Thema Sprache steht derzeit sowohl landes- als auch bundesweit im Mittelpunkt. Die nächste Herausforderung ist außerdem die Ausbildungsvermittlung. Hier gibt es ein enormes Potenzial und viele Ressourcen. Allerdings müssen wir schauen, dass der Kontakt zu den Arbeitgebern, zur Arbeitsagentur und zum Jobcenter funktioniert. Darüber hinaus unterstützen wir die Gemeinden beim Übergang in eine Anschlussunterbringung. Uns ist vor allem die Stärkung des Regelsystems mit den Kindergärten, Schulen und Betrieben wichtig – sie werden das gesamte Konstrukt tragen müssen.

Welche Perspektiven sehen Sie für Flüchtlinge in unserer Region?

Die Perspektive für die Flüchtlinge ist natürlich völlig unterschiedlich. Die Teilhabechancen werden derzeit kontinuierlich ausgebaut, da gibt es auch schon Erfolge. Es kommen immer mehr Personen in Arbeit und in Ausbildung, das ist für die Integration natürlich besonders wichtig. Das Bestreben des Landkreises ist insbesondere, dass wir die Integration vor Ort in den Gemeinden vorantreiben. Dort finden die Begegnungen statt und es werden Kontakte geknüpft. Auf dieser zwischenmenschlichen Schiene erhöhen sich schließlich auch die Chancen auf einen Arbeitsplatz. Wobei die Arbeitsagentur und das Jobcenter hier ebenfalls sehr nah dran sind.

Welchen Hilfsbedarf gibt es derzeit noch im Kreis? Woran mangelt es?

Viele Flüchtlinge sagen, dass sie in einen Sprachkurs gehen, der auch gut läuft – wenn sie dann daheim sind, reden sie aber kein Deutsch mehr. Viele würden deshalb auch im Alltag gerne noch mehr Deutsch sprechen, ihnen fehlt aber die passende Begegnungsmöglichkeit. Hier ist der Zugang aber oft schwierig. Man muss das sehr niederschwellig gestalten und die Kinder müssen ebenfalls ins Boot geholt werden.

Was wäre aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Begegnungsstätte?

Der Klassiker ist da natürlich ein Sprachcafé. Die gibt es überall im Kreis und werden meist von Ehrenamtlichen betrieben. Auf der anderen Seite ist das gerade für junge Menschen nicht unbedingt jedermanns Sache. Die haben andere Bedürfnisse, wollen vielleicht lieber verschiedenen Sportarten nachgehen Deshalb ist es schwierig, da einen konkreten Bedarf festzustellen. Möglichkeiten gibt es bei uns aber genug, da ist aber vielleicht auch ein aktives Daraufzugehen der geflüchteten Personen notwendig.

Welche Fördermöglichkeiten gibt es für Initiativen, die sich bei der Integration engagieren möchten?

Aktuell sind die Fördermöglichkeiten etwas beschränkt. Aber durch den Pakt für Integration im Land Baden-Württemberg werden 70 Millionen Euro für Projektmittel ausgeschüttet. Hierbei werden auch der Landkreis, die Gemeinde und Vereine zum Zug kommen. Im Landkreis bin ich hierfür zentraler Ansprechpartner – da freue ich mich natürlich, wenn jemand mit einer guten Idee auf mich zukommt. Die Fragen stellte Marc Eich