VW-Konzernchef Martin Winterkorn spricht beim IHK-Neujahrstreff über die Zukunft. Foto: Kienzler

VW-Konzernchef spricht über Mobilitätstrends der Zukunft. Volkswagen verkauft zum ersten Mal mehr als zehn Millionen Autos.

VS-Schwenningen - "Schaffe, net schwätze", das ist das Motto des Volkswagenkonzerns und das von Martin Winterkorn. Eine packende und beachtliche Rede, die vom Volkswagen-Konzern selbst als "ungewöhnlich" kommentiert wird, hält er an diesem Abend aber trotzdem.

Zweifellos einer der mächtigsten Autobosse Deutschlands und der Welt betritt gestern Abend erstmals die Bühne beim Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg. Hybridfahrzeuge von Porsche, Audi und Volkswagen mit einer E-Tankstelle zeigen in den Schwenninger Messehallen, dass Volkswagen weiß, was die Stunde geschlagen hat: E-Mobilität. Und Vernetzung.

Mitgebracht, sozusagen als Verstärkung, hat Winterkorn den Porsche-Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller, den er in Stuttgart zuvor besucht hat. Der 67-jährige Winterkorn steht für gleich drei deutsche Premiummarken: Porsche, Audi und Volkswagen. Und mit Volkswagen hat der promovierte Metallphysiker gerade vor wenigen Tagen einen Erfolg der Superlative bekannt gegeben. Volkswagen hat zum ersten Mal mehr als zehn Millionen Autos verkauft und einen Zuwachs von vier Prozent erzielt.

"Die Konzepte von heute sind keine Garantie für den Erfolg von morgen"

Es muss alles schnell gehen, wie so oft für den mächtigen Manager. Die Zeit reicht vor dem offiziellen Beginn gerade noch zum Duschen. Dann geht Winterkorn zur VW-Lounge, die in den Messehallen aufgebaut ist, und sagt »Guten Tag«. Der Erfolgskonzern präsentiert hier in Schwenningen seine Fahrzeuge. Die Spannung wächst im Saal. Die Gäste sind gespannt auf den Mann, der im Machtkampf von Porsche und Volkswagen schließlich der Gewinner war.

Wie Volkswagen den Wandel der Automobilindustrie vorantreibt? Den Wandel gibt’s, »und wir werden nicht zwangsläufig von ihm überrollt«, teilt Winterkorn dem begeisterten Publikum, immerhin 2400 Gäste, mit. Der Wandel habe die gesamte Welt erfasst, und es mache letztlich keinen Unterschied, ob man Medizinprodukte oder Autos herstelle, in Villingen-Schwenningen oder Wolfsburg arbeite. Klar sei nur eins: "Die Konzepte von heute sind keine Garantie für den Erfolg von morgen."

Seit 2007 sei die Welt in gewaltigem Veränderungstempo vollkommen anders geworden. Nicht nur wirtschaftliche Einbrüche und Krisen "machen verlässliche Planungen so gut wie unmöglich".

"Wir haben gelernt, den Elektroantrieb zu lieben, nicht nur wegen seiner Effizienz, sondern auch wegen des Fahrspaßes, den er bieten kann", beschreibt Winterkorn den neuen "Autotrend Nummer eins" und fügt hinzu, mit einem grünen Ministerpräsidenten könne man konstruktiv diskutieren. Apropos. Jedes Jahr gibt der Volkswagen-Konzern einen dreistelligen Millionenbetrag aus, um Waren aus der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg zu beziehen.

Diese Teile gehen nicht direkt nach Wolfsburg, sondern werden meist im Südwesten verbaut, zum Beispiel bei Porsche und Audi. 30 000 Mitarbeiter beschäftigt der Konzern in Baden-Württemberg. "Wir profitieren nicht nur vom Autoland Baden-Württemberg, wir sind selbst ein fester Bestandteil davon", betont Winterkorn.

Auf lange Sicht werden in Zukunft mehrere Antriebe nebeneinander existieren, meint Winterkorn: Benzin- und Dieselmotoren, Erdgasfahrzeuge, Plug-In-Hybride und reine Elektro-Autos, perspektivisch sogar die Brennstoffzelle mit Wasserstoff.

"Autotrend Nummer zwei ist der schleichende gesellschaftliche Wertewandel", erklärt Winterkorn: "Hier in Villingen-Schwenningen, in Donaueschingen oder auch Wolfsburg ist dieser Wertewandel noch nicht so offensichtlich."

"Damit meine ich nicht, dass die Kehrwoche in Zukunft vom Roboter erledigt wird"

Aber in den Metropolen. Dort gebe es immer weniger Autobesitzer. "Selbst in der Autostadt Stuttgart hat sich die Zahl der Pkw-Besitzer unter 25 Jahren mehr als halbiert, von 13.000 auf nicht mal mehr 5000."

Obwohl Mobilität nach wie vor ein Grundbedürfnis sei, hätten westliche Großstädter heute »einen anderen Blick aufs Auto«. Man müsse über das klassische Autogeschäft hinaus denken und zum Mobilitätskonzern werden.

Autotrend Nummer drei ist die Digitalisierung. Daten, so Winterkorn, werden zum "neuen Öl" der Zeit. "Es geht um die reale Wirtschaft, das ›Internet der Dinge‹. Das wird das Leben auch in Villingen-Schwenningen verändern. Damit meine ich nicht, dass die Kehrwoche in Zukunft vom Roboter erledigt wird."

Es müsse alles daran gesetzt werden, Daten der Kunden zu schützen und nicht leichtfertig aus der Hand zu geben. Aber für den Autofahrer und für VW eröffnen sich, so der Träger der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg, "Riesenchancen" im Wandel. "Wir machen das Auto zum rollenden Smartphone", beschreibt Winterkorn ein Zukunftsszenario.

Das könne man jetzt schon im neuen VW-Passat erleben. "Was wir allerdings in den nächsten zehn Jahren definitiv nicht sehen werden, sind Roboterautos, die in jeder Verkehrssituation vollautomatisch ihren Weg finden", schränkt er ein. Aber der gebürtige Leonberger schließt nicht aus, "dass man schon bald einen Cappuccino im Café genießen kann, während das Auto selbstständig seinen Platz im Parkhaus sucht".

Die VW-Produktionsexperten treiben die vollvernetzte Fabrik voran, schildert Winterkorn, »mit intelligenten Werkzeugen, die selbst auf kleine Abweichungen autonom reagieren, mit fahrerlosen Transportsystemen, die Teile punktgenau anliefern oder mit der Fernwartung von Maschinen per Internet«. Die größten Marktchancen sieht er mittelfristig mit dem Plug-In-Hybrid.