Wünsch-dir-was-Gewinner fahren auf der Schwarzwaldbahn in der Lok mit

Von Andreas Wende

Der Steuerwagen von RE 5306 ist an diesem Samstagmorgen gut besucht. Außer Lokführerin Jana Richter und Jochen Seeburger, Teamleiter der Lokführer im Verkehrsbetrieb Südbaden, drängen sich Justin Schwehr, sechs Jahre, aus Donaueschingen, Finn Langeheineke, fünf, aus VS-Schwenningen und Alexander Renz, 13, aus Eutingen auf engem Raum zusammen, um jeden Kilometer der 85,9 Kilometer langen Teilstrecke von Villingen nach Offenburg aus der ungewohnten Perspektive zu erleben. Eine Lokmitfahrt auf der Schwarzwaldbahn haben sich die Kinder gewünscht, und die Wünschdir-was-Aktion des Schwarzwälder Boten, unterstützt von der Sparkasse Freudenstadt, sorgt für die Erfüllung.

180-Grad-Kurvenentschärfen Gefälle

Kaum spürbar fährt der Regionalexpress an, rasch kommt er auf dem Weg durchs Groppertal nach St. Georgen auf die hier mögliche Höchstgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern. "Wir fahren auch in der Stadt schneller als Tempo 50", scherzt Seeburger, während sich der Zug in die ersten Kurven neigt und die Fahrgäste nach festem Stand suchen.

Im Fahrstand des Steuerwagens gibt es Anzeigen für die Geschwindigkeit, die Uhrzeit, für Ankunfts- und Abfahrtszeiten sowie die nächste Haltestelle. Nachdem der Zug in St. Georgen angekommen ist, gibt Jana Richter per Knopfdruck die Türen frei. Auch das wird auf dem Display angezeigt. Nach einer Minute werden die Türen wieder geschlossen. Durch einen Blick aus dem Seitenfenster im Führerstand überzeugt sich die Lokführerin, dass niemand mehr ein- oder aussteigen will. "Das funktioniert wie bei einem Aufzug. Sind die Türen zu, lassen sie sich nicht mehr öffnen", erklärt Seeburger. Wer jetzt noch zum Zug hastet, hat Pech gehabt.

Justin darf die Pfeife betätigen, die ziemlich laut ist. Früher wurde damit Arbeitern im Tunnel signalisiert, dass sich ein Fahrzeug nähert. Heute werden bei Bauarbeiten Sirenen an der Strecke ausgelöst, die einen nahenden Zug ankündigen.

Kurz nach St. Georgen beginnt der interessanteste Abschnitt der Schwarzwaldbahn. 37 Tunnel auf 38 Kilometern sind es bis nach Hausach. Beide Orte liegen nur 21 Kilometer Luftlinie auseinander. Um aber die 560 Höhenmeter zu überwinden, hatte der Erbauer der Strecke, Robert Gerwig, zwischen St. Georgen und Triberg sowie zwischen Triberg und St. Georgen mehrere Kehrtunnel vorgesehen, in denen die Züge teilweise 180- Grad-Kurven durchfahren.

Die Zuschauer auf den "Logenplätzen" im Führerstand merken von Gerwigs genialer Planung fast nichts. Der erste Tunnel, der Sommerautunnel bei St. Georgen, ist mit mehr als anderthalb Kilometern der längste – und schnurgerade. Dann folgen kürzere und längere Strecken durch die Berge. "Jetzt drehen wir wieder zurück Richtung Villingen", erläutert Seeburger die Streckenführung im 3. Bauer-Tunnel. Dort erhellt das Fernlicht der Bahn den Schienenstrang nur notdürftig. Für die Lokführer reicht das; sie fahren nicht auf Sicht, sondern nach Signalen.

Bei der Ausfahrt aus einem der Tunnel können die Mitfahrer drei Bahnstrecken auf unterschiedlichem Niveau erkennen: der berühmte Drei-Bahnen-Blick. "Das GPS hat hier Probleme, uns auseinanderzuhalten", beschreibt Seeburger die technischen Auswirkungen der Trassenführung. RE 5306 nähert sich dem Bahnhof Triberg von "oben" auf der einen Talseite und verlässt den Bahnhof nach kurzem Halt auf der anderen.

Normalerweise sitzen die Triebfahrzeugführer, so die offizielle Bezeichnung der Zuglenker, alleine im Führerstand. Sie werden aber ständig überwacht. Ein orangenes Signal mit einer 2 bedeutet, dass der Zug in 1000 Metern Entfernung nur noch 20 Stundenkilometer fahren darf. Der Lokführer muss das Signal quittieren und das verlangte Tempo einhalten, sonst gibt es eine Notbremsung.

Für Raser gibt eseine Notbremsung

Gleiches gilt bei dem grünen und gelben Signal mit der 6 vor dem nächsten Bahnhof. Hier darf der Regionalexpress nicht schneller als mit Tempo 60 unterwegs sein, wenn er den Bahnhof erreicht. "Zugbeeinflussung", ertönt eine Stimme. Jetzt muss die so genannte Wachsamkeitstaste betätigt werden. Zudem reagiert die Sicherheitsfahrschaltung, kurz SiFa, mit einer Notbremsung, wenn der Lokführer nicht regelmäßig ein Fußpedal betätigt.

Inzwischen hat der Regionalexpress wieder höhere Fahrt aufgenommen, es geht von Hausach Richtung Offenburg. Hier macht sich der Vorteil des Elektromotors bemerkbar: Er verbraucht keine Energie, speist vielmehr Strom ins Netz zurück. "Unsere Faustregel ist: Für drei Züge, die talwärts fahren, fährt einer bergauf."

Auf dem Weg zurück dürfen die Wünsch-dir-was-Besucher im RE 4713 auf der Lok mitfahren. Am Steuerpult sitzt Daniel Montel. Er hat Feierabend, wenn der Zug in Villingen eintrifft; dort wartet bereits ein Kollege. Beim Aussteigen in Villingen sind sich alle Lok-Mitfahrer einig: Die Strecke aus dem Rheintal nach Villingen ist ebenso faszinierend wie die Reise bergab nach Offenburg.