Statt Flüchtlingen sollen Polizeistudenten in die Gebäude an der Kirnacher Straße in Villingen einziehen. Foto: Klausner

Kasernenareal: Riesige Enttäuschung über Intervention des Landes. Wartelisten für bezahlbaren Wohnraum.

Villingen-Schwenningen - Die Enttäuschung beim Bündnis für Faires Wohnen ist riesig. Dass ausgerechnet das Land in die Pläne vor Ort gegrätscht ist und das Projekt für bezahlbaren Wohnraum in Villingen aushebelt, ist eine bittere Pille, die sie dieser Tage schlucken mussten.

Wenn die Flüchtlinge ausgezogen sind, sollen Polizisten einziehen, der Wohnraum werde durch die Erweiterung der Polizeihochschule benötigt – so die Hiobsbotschaft, die OB Rupert Kubon vom Land erhalten hatte und am Mittwochabend im Gemeinderat verkünden musste.

Das Bündnis für Faires Wohnen hatte große Pläne mit den Mannschaftsgebäuden an Kirnacher Straße und Co, wenn sie von der Bima erst einmal an die Stadt verkauft sind. Der so dringend benötigte soziale Wohnraum, Wohnungen zu bezahlbaren Preisen, sollten hier mit vereinten Kräften der vier Wohnbaugesellschaften – Baugenossenschaft Villingen, Baugenossenschaft Familienheim, Wohnungsbaugesellschaft Villingen-Schwenningen wbg sowie dem Spitalfonds Villingen – entstehen. Doch jetzt drohen diese zu platzen. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt dürfte sich damit dramatisch zuspitzen.

"Wir kriegen das in unserer Arbeit wirklich täglich mit, dass Menschen verzweifelt nach Wohnungen suchen", schildert Sebastian Merkle, geschäftsführender Vorstand der Baugenossenschaft Familienheim. Die Wartelisten seien lang, "wir sprechen da von mehreren hundert Personen auf den Wartelisten", betont Merkle. Auch Rainer Müldner, Geschäftsführer der Wohnungsbeaugesellschaft wbg machte diese Erfahrung: "Wir spüren einen höher werdenden Druck am Markt." Seine Mitarbeiter müssten trotz Wartelisten schon Interessenten abweisen – "das führt zu Frustrationen und erhöht auch den Druck auf die Mitarbeiter", weiß er. Das gesellschaftliche Problem ist da und werde sich, denkt Müldner, in den Jahren noch zuspitzen. Immerhin sei dann viel Polizei vor Ort, sagt Müldner bewusst zynisch und kann seine Enttäuschung nicht verbergen, dass es ausgerechnet das Land ist, das nun in die Wohnungsbaupläne vor Ort grätscht: "Es ging ja nicht um Gewinnmaximierung oder Kapitalanlage", sondern um sozialen Wohnraum, den nicht zuletzt das Land vehement fordert und fördert.

Nun ist guter Rat teuer. Abwarten, bis die Polizisten wieder ausgezogen sind? "Man kann sich das in ein paar Jahren nochmals anschauen", räumt Müldner ein, gibt aber zu bedenken, dass die Not nach bezahlbarem Wohnraum gerade akut ist und dass auch gerade jetzt, in der Niedrigzinsphase, die Bedingungen günstig waren. In fünf oder zehn Jahren kann das ganz anders sein.

Ein Aspekt, der auch für Günter Reichert, den Geschäftsführer des Spitalfonds Villingen, schwer wiegt: "Wir hatten gehofft, kurzfristig, also in einem bis eineinhalb Jahren, Wohnungen auf dem Markt anbieten zu können, daraus wird jetzt wohl nichts." Der Spitalfonds müsse nun neue Wege überlegen, um sich in Projekte für sozialen Wohnraum, beispielsweise für ältere Menschen, einbringen zu können.

Immerhin, einige Projekte hat die wbg noch in der Pipeline. Die Gebäude in der Villinger Sperberstraße, wo 60 neue Wohnungen im preisgünstigen Segment entstehen sollen, sollen noch 2017 abgerissen werden, damit 2019/2020 der Markt bedient werden kann. Bereits angekommen ist das Projekt "NeckarFair" in Schwenningen – alle 45 preisgünstigen Einheiten sind vermietet.

Den Kopf in den Sand stecken, das will auch Sebastian Merkle von der Familienheim trotz aller Enttäuschung über die geplatzten Pläne nicht. "Jetzt machen wir erstmal Mangin" – er hoffe, dass auf dem ehemaligen Kasernenareal ganz rasch losgelegt werden kann –, "und dann sind wir gerne bereit, auch weitere Projekte anzugehen", ob im Bündnis oder als Familienheim. Bei allen Sonderprogrammen für Studenten oder andere Gruppen, dürfe man aber den Normalbürger nicht vergessen, auch dieser suche Wohnraum. Zwangsläufig werde auch ein Wettbewerb auf dem Wohnungsmarkt zwischen beispielsweise Studenten und anderen Suchenden stattfinden. Dafür, dass das Land die Mannschaftsgebäude nun für Polizisten nutzen möchte, zeigt Merkle unter dem Strich sogar Verständnis. Dass aber ausgerechnet ein Projekt, mit dem "dringendst benötigte Sozialwohnungen" entstehen sollen, darunter leidet, sei tatsächlich bitter.

Verwundert über Kubon

Keine großen Sorgen hingegen müssen sich laut Innenministerium die Schwenninger Studenten machen. Denn in Stuttgart wundert man sich sehr über die Formulierung von OB Kubon, es würden Studentenwohnungen in Schwenningen für Polizisten geräumt. "Davon ist uns nichts bekannt. Unser Thema ist die Nutzung der vorhandenen Liegenschaften, also die ehemaligen Mannschaftsgebäude der französischen Streitkräfte", sagte Renato Gigliotti, Pressereferent des Innenministeriums. Dass Studenten für Polizisten weichen sollen, sei nicht im Interesse des Landes. "Das würde ja eine Privilegisierung von Polizisten bedeuten." Der Mangel an Unterbringungsmöglichkeiten ist aber zweifelsfrei vorhanden und auch akut. "Im Oktober dieses Jahres wird das Defizit noch im zweistelligen Bereich liegen, spätestens im Oktober 2018 aber schon im dreistelligen", sagt Gigliotti.

Sollten die Studenten der Polizeifachhochschule auch auf den freien Wohnungsmarkt drängen, wird die Situation besonders schwierig. Denn schon jetzt kämpfen die Studenten der Hochschule Furtwangen (HFU) und der Dualen Hochschule (DHBW) um Wohnraum. "Kleine Wohnungen können sich Studierende nicht leisten und Zimmer in Wohngemeinschaften zu finden, ist enorm schwer", sagt Mirko Müller vom Allgemeinen Studierendenausschuss der HFU (AStA). Die Nachfrage sei seit Jahren höher als das Angebot.