Friedlicher Protest vor der Halle - der Kuss-Flashmob. Foto: Eich

600 Besucher wollen AfD-Spitzenkandidatin live erleben. Bei Gegendemo ist Liebe Trumpf. Mit Video

Villingen-Schwenningen - Der AfD-Bundestagskandidat Joachim Senger machte auf der Bühne den Anfang und warb für die AfD und ein "Leitbild für die Familie – und ich stelle mir das vor als Vater und Mutter mit Kindern", sagte er. Und keine zehn Minuten später aber stand sie da: Spitzenkandidatin Alice Weidel, und sie erzählte von ihrer Lebenspartnerin, einer Frau, die schwanger ist.

Schon lange bevor Alice Weidel in der Neuen Tonhalle in Villingen am Sonntagabend ankam, sind die Vorbereitungen gelaufen: Absperrgitter und Polizisten kamen, Demonstrierende von Links rollten ihre Transparante aus und das Bündnis "VS ist bunt" schürzte die Lippen für den Kuss-Flashmob, der angekündigt war.

Allerdings kam es kurz vor Veranstaltungsbeginn zu einem Zwischenfall, als ein Anhänger der Antifa – beim Auflösen einer Blockade – mit einem Schild auf einen Beamten der Bereitschaftspolizei schlug. Der Polizist kam unverletzt davon, der Angreifer wurde in Gewahrsam genommen.

Protest bleibt friedlich

Friedlich blieb hingegen der Protest am anderen Ende des Vorplatzes. Dort waren rund 40 Menschen dem Aufruf der SPD zum Kuss-Flashmob gefolgt. "Wir erreichen mit Liebe mehr als mit Hass", begründet Organisator Nicola Schurr, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins VS, den Protest. Schurr machte dabei deutlich: "Wer sein Kreuz bei der AfD setzt, unterstützt Rassisten." Kurz nachdem die Teilnehmer der Kundgebungen die Spitzenkandidaten Alice Weidel mit einem Pfeifkonzert begrüßt hatten, wurde das Motto des Flashmobs auch zugleich in die Tat umgesetzt. Mit innigen Küssen und festen Umarmungen sorgten die Demonstranten damit für einen liebevollen und zugleich friedlichen Protest.

Mehr von der Gegendemo gibt es im Video:

Fanden draußen nicht alle Alice Weidel zum Knutschen, wurde sie drinnen schon fast frenetisch gefeiert. Zunächst aber war Joachim Senger an der Reihe. Bissig wie nie gab sich der AfD-Kandidat des Wahlkreises 286. Die Flüchtlingspolitik nahm breiten Raum ein in seiner Rede. "Wir sind in einem Land, das wir bald nicht mehr wiedererkennen", prophezeite er und weiter: "Diese Menschen werden unsere Kultur und unser Volk nachhaltig verändern – das wollen wir nicht, das wollen wir ganz und gar nicht." Er werde kein Blatt vor den Mund nehmen, versprach Senger und das tat er dann wahrlich auch nicht: Er bediente die Sorgen des kleinen Mannes. "Wir wollen keine Terroristen und wir wollen keine Vergewaltiger, wir brauchen keine importierten Diebe und sonstigen Verbrecher – nein, wir wollen in unserem Land wieder sicher leben." Und auch Seitenhiebe auf die Mitbewerber gab es, etwa die FDP, die doch nur "abschreibe", was die AfD schon lange fordere – etwa das Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild. Die AfD sei, stellte Senger klar, das Original. Und er bat um viele Stimmen am 24. September, am besten beide von jedem.

600 Zuhörer in neuer Tonhalle

Und dann kam sie: Alice Weidel. Umarmungen, Küsschen links und rechts für den AfD-Landtagsabgeordneten des Wahlkreises Tuttlingen-Donaueschingen, Lars-Patrick Berg, dann wurde Weidel auch schon unter tosendem Beifall von Joachim Senger auf die Bühne begleitet.

Ihren Vorredner übertrumpfte sie in ihrer kämpferischen Art bei weitem. Alice Weidel keifte ins Mikrofon, wurde an den effektivsten Stellen lauter, lachte ihr bitteres Lachen, wo sie sich zu unrecht von den Medien verfolgt sah und wo ihr Umfeld durchpflügt werde. Am Ende, war Weidel sich sicher, sei sie es, die siege.

Das Gros der rund 600 Zuhörer in der Neuen Tonhalle, die vielfach auch aus den Landkreisen Konstanz, Rottweil und Waldshut-Tiengen angereist waren, hatte sie längst auf ihrer Seite. Und auch sie schürte Ängste. Die Deutschen sollten enteignet werden, meinte sie beispielsweise mit Blick auf die Bargeld-Obergrenze, den "feuchten Traum eines jeden Finanzministers – ich kann den Wolfgang Schäuble ja verstehen".

Die Flüchtlingsproblematik streifte sie nur am Rande. Stattdessen ging sie hart mit der Regierung ins Gericht, bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel in steter, plumper Wiederholung als "sprechende Raute" und widmete viel von ihrer Redezeit ihrem aktuellen Kampf mit den Medien: "Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich – und dann gewinnst Du", brachte sie es für sich auf den Punkt und für jene, die sie mit viel Beifall und sogar mit stehenden Ovationen von der Bühne verabschiedeten.