Gemeinderat sagt Ja zu Projekt am Klosterhof. OB von eigenen Partei abgewatscht. Mit Videobericht und Kommentar

Villingen-Schwenningen - Oberbürgermeister Rupert Kubon legte sein Veto gegen das Jugendkulturzentrum am Klosterhof ein, hielt es "sogar für fahrlässig". Und doch stimmte am Mittwoch eine klare Mehrheit für das Projekt. Spannender und emotionaler als diese kann eine Gemeinderatsdebatte kaum sein.

Es war ohnehin die Sitzung der Superlative: Endlosdebatten und ellenlange Rednerlisten, überschäumende Emotionen, übervolle Zuhörer-Reihe, eine Kehrtwende der SPD, wie man sie selten erlebt hat. Und: tiefer als der Graben, der sich gestern zwischen dem SPD-Oberbürgermeister Rupert Kubon und dem Fraktionssprecher seiner Partei, Edgar Schurr, auftat, kann die kommunalpolitische Kluft kaum sein. Kubon warf zu Beginn der Debatte alles in die Waagschale: Er könne dem Projekt nicht zustimmen, dessen Dimensionen seien in jeder Hinsicht ausgeufert und abgesehen davon sehe er "letztlich einen doch sehr geringen Bedarf" bei den Jugendlichen dafür.

Man könne sich dieses Jugendkulturzentrum für 2,2 Millionen Euro zuzüglich 300 000 Euro jährlicher Folgekosten "schlichtweg nicht leisten" – ein Argument mit engem Bezug zur Darstellung der aktuellen Stadtfinanzen durch den Kämmerer Hans Kech im vorangehenden Tagesordnungspunkt, der zwar eine äußerst rosige Finanzsituation jetzt, für die unmittelbar bevorstehenden Jahre jedoch eine desaströse Finanzsituation der Stadt aufzeigte.

Dass Kubon für dieses Veto Kritik kassieren würde, war klar. Nicht weiter verwunderlich daher die Schelte von seinem kommunalpolitischen Dauer-Erzfeind Ernst Reiser (Freie Wähler) – "Ich finde Ihr Verhalten schlichtweg blamabel". Dass die kräftigste, öffentliche Ohrfeige aber ausgerechnet vom Fraktionssprecher seiner eigenen Partei, Edgar Schurr, kommen würde, war schon bemerkenswert – er stellte sogar Kubons generelle Politik in Frage: "Verantwortliche Politik ist nicht, sich treiben zu lassen", wenn "unsere Stadt" ab 2019 wie prognostiziert massive Schwierigkeiten habe, frage man sich, wie ein OB es so weit habe kommen lassen können. Nein zum Jugendkulturellen Zentrum zu sagen – "einen größeren Beitrag zur Politikverdrossenheit könnten wir kaum leisten".

Verwundertes Augenreiben quer durch alle Fraktionen. Eine solche Rede hatte man von allen erwartet, nur nicht von der SPD, "die uns diese ganze Diskussion doch eingebrockt hat", so Hans-Joachim von Mirbach (Grüne) rückblickend auf die Ausschusssitzung mit ablehnendem Beschluss zum Jugendzentrum vor zwei Wochen. Der Grünen-Fraktionssprecher blieb dabei: "Wir sind bereit, Geld auszugeben für diesen Bereich. Aber die Gesamtkonzeption dieses Projektes ist für uns nicht schlüssig. Wir lehnen das ab."

Kurz zuvor hatte Renate Breuning für die CDU ein flammendes Plädoyer dafür gehalten und clever argumentiert: 300.000 Euro jährlich, das sei weniger als der jährliche Zuschuss für die städtische Galerie und weniger als die Stadt pro Jahr für Theater und Konzerte ausgebe. Marcel Klinge (FDP) sah das anders: "Wir können so nicht weitermachen, der städtische Haushalt steuert auf eine Katastrophe zu." Fraktionskollege Bonath gab zu, ein Jugendkulturzentrum wäre "nice to have", aber einfach nicht drin.

Und Jürgen Schützinger, zuvor noch in einer anderen Debatte wegen einer Anti-Flüchtlingsrede nahezu ausgebuht, brachte an diesem Abend als Erster den Wunsch vor, der künftige Jugendgemeinderat solle dazu gehört werden. Damit fand er Gehör. Und die Jugendlichen letztlich auch: "Wir sprechen uns klar für das Jugendkulturzentrum aus", sagte der gerade erst in den Jugendgemeinderat gewählte Sascha Keller, der im Anzug ans Mikrofon trat und für die Jugendlichen sprach. "Wir wären dankbar für die vielen, neuen Möglichkeiten!" Am Ende durften sie dankbar nach Hause gehen – bei sieben Gegenstimmen, darunter die des Oberbürgermeisters, und zwei Enthaltungen stimmte die Mehrheit für das Jugendkulturzentrum.

Kommentar: Jetzt gilt's!

Von Cornelia Spitz

Ein von der eigenen Partei abgewatschter Oberbürgermeister, eine hitzige Debatte und am Ende sogar das herbeigesehnte Ja zum Jugendkulturzentrum am Klosterhof – es war ganz großes Kino, das die gerade erst in den Jugendgemeinderat gewählten Jugendlichen gestern geboten bekamen. Jetzt aber müssen sie selbst liefern: Über 2,2 Millionen Euro sollen für die Begegnungs- und Kulturstätte ausgegeben werden plus 300.000 Euro jährliche Folgekosten.

Dafür wollen die Volksvertreter im Gemeinderat jetzt auch etwas sehen: Engagement bei der Ausgestaltung des Konzepts, ein begeistertes Mitwirken der jungen Generation am "eigenen" Projekt und nicht zuletzt, dass es diese Jugendkultur, für die man das Zentrum nun baut, auch tatsächlich gibt. Füllen sie das Jugendkulturzentrum nicht mit Leben, sind sie es, die die nächste Ohrfeige kassieren.