Sommer 1914 im Schwarzwald-Baar-Kreis: Freiwillige melden sich zu den Fahnen und die Lebensmittelpreise steigen

Von Felicitas Schück Schwarzwald-Baar-Kreis. Gerade hatte sich das Villinger Stadtparlament entschlossen, der Wohnungsnot zu begegnen und Reihenhäuser für Arbeiter zu bauen und der "strebsame Münsterchor" das Requiem in C-Moll von Cherubini einstudiert, "ein Werk voll echter Kunst und berückender Form". Da begann plötzlich der Erste Weltkrieg, der dem beschaulichen Leben in der "Schwarzwaldmetropole" für Jahre ein Ende machte.

"Nun ist er da, der Werwolf des Krieges", stellt nur wenige Tage später das damals erscheinende Villinger Volksblatt fest. "Jetzt ist der große Augenblick gekommten, das die erzgepanzerte deutsche Faust endlich die russische Gier und die französische Rachsucht zu Boden schmettern soll." Das es ein Weltkrieg werden würde, wusste man sofort. Kaum sind im Juli 1914 die ersten Schüsse gefallen, so beginnen schon die Hamsterkäufe bei Lebensmitteln, die für deutlich höhere Preise sorgen. "Helle Empörung erregte es heute am hiesigen Bahnhof, dass beim Verkauf von Erfrischungen am dicht besetzten Zuge an die massenhaft zu den Fahnen eilenden Leute für ein Fläschchen Sodawasser sage und schreibe 50 Pfennig verlangt worden sind. Ein solches Gebaren ist geradezu eine Schande. Da sind unsere Landsleute auf dem Wege, ihr Leben in die Schanzen zu schlagen zu unserem Schutze und werden in so schamloser Weise ausgenutzt", notiert das Volksblatt am 2. August in Triberg. Am 31. Juli hatte das Großherzogtum Baden sich als im Kriegszustand befindlich erklärt.

Ein Augenzeuge aus St. Georgen, der in Wien studierte, beschreibt seiner Pfarrgemeinde die Eindrücke, die "die Schreckenstat von Sarajewo" in Wien auslöst: "Es war ein Sonntagnachmittag, der 28. Juni. Brennende Sonnenglut zitterte durch die Straßen. In Scharen zogen die Wiener hinaus in den vielbesungenen Wald. Da huschte plötzlich ein Schatten über die sangefrohe, schöne Kaiserstadt; man sagt, der Thronfolger sei gestorben, ermordet. Und auf einmal durchbohrt ein Extrablatt, das ein in schweiß gebadeter Bote in den sommerlichen Fluren verteilt, alle Herzen mit der entsetzlichen Gewissheit: Der Thronfolger und seine Gemahlin sind von einem Buben ermordet worden, ermordet von einem Serben. Weinen brach aus Kindern, Frauen und starken Männern hervor und in manchem nassen Blicke, der sich himmelwärts wandte, um Vergeltung für den Erzherzog und seine Gemahlin zu erflehen, spiegelte sich der nächtliche Himmel."

Villingen im Zeichen des Krieges war nicht minder bewegt, wie das Volksblatt am 3. August beobachtete: Eine erdrückende Schwüle, ein Vorausahnen großer Ereignisse und Spannung lagerte über der Stadt.

Soldaten in schmucken Felduniformen

Ein Gerücht jagt das andere: "Greift Japan ein? Und was macht England? Ist Italien noch zuverlässig? Die lange Reihe dieser Nachmittagstunden wird nur unterbrochen durch die Aufmerksamkeit, die man den vereinzelten Reservisten zuwendet, die in der schmucken, grauen Felduniform da und dort in den Straßen sichtbar werden. Man grüßt sie mit großer Herzlichkeit, aber auch mit Stolz, denn unsere Soldaten machen immer einen stattlichen Eindruck. Und man drückt ihnen die Hand und sagt: Auf Wiedersehen. Noch immer keine Nachricht aus Berlin. Hat Russland eingelenkt? Oder ist das die Stille vor dem Sturm? Da hallt ein Ruf von der Reichspost her: Deutschland macht mobil." Die Zahl der Kriegsfreiwilligen in Villingen beträgt im August mehr als 400. Unter ihnen sind solche, die noch nicht 16 Jahre alt sind und zurückgewiesen werden.

Die Mehlpreise steigen. Am 2. August 1914 kamen Vertreter des Rottweiler Gerichtes nach Schwenningen, um die beteiligten Mehlhändler und Bäckermeister zu vernehmen. Einen Tag später tritt der Schwenninger Gemeinderat "angesichts der ernsten Kriegslage" zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. An die Hausbesitzer wurde die Bitte gerichtet, während der Kriegsdauer bezüglich der Mietzinsen Rücksicht zu üben.

Schon zuvor hatte sich der Fürst zu Fürstenberg zur Leitung der Geschäfte des österreichischen Herrenhauses nach Wien begeben, "nachdem sich dessen 62 Jahre alter Präsident Fürst Alfred von Windischgrätz freiwillig zu den Fahnen gemeldet hat."

In Tuningen beschließen der Militärverein, die Turngemeinde und der Arbeiterradverein Abschiedsfeiern für die "zur Fahne einberufenen Mitglieder, wie die in Schwenningen erscheinende "Neckarquelle" am 7. August notiert. Jedem scheidenden Mitglied wurde ein Reisegeld mitgegeben, für die Verheirateten beschlossen die Vereine eine monatliche Unterstützung.

In Bad Dürrheim werden, so eine Notiz vom gleichen Tag, Lazarette in den Hotels "Kreuz" und "Sonne" eingerichtet. Auch das Landesbad, das Kindersolebad und die Hirschhalde sind im Gespräch für solche Einrichtungen. Ratsschreiber Grießhaber in Bad Dürrheim schickt "acht Söhne zum Schutze des Vaterlandes ins Feld." Die Kriegsbegeisterung war anscheinend groß: Das Rote Kreuz weist in Schwenningen darauf hin, dass "im Felde nur ausgebildetes Personal mit mindestens zweijähriger Ausbildung und Examen Verwendung finden kann". Offenbar trauten die Menschen schon kurz nach Kriegsausbruch dem Papiergeld nicht mehr. Die städtischen Sparkassen in Villingen weisen im Juli darauf hin, dass sie nicht geschlossen werden und die Geldanlage bei ihnen sicher sei.