Geschäftsführer Volker Merz und Assistentin Loredana Caligiuri testen das therapeutische Gerät. Foto: Huber Foto: Schwarzwälder-Bote

Innovation: Merz Electronic aus Villingen entwickelt Therapiegerät für Tinnitus-Belastete

Schon bei Tönen im zwei Kilohertz-Bereich sträuben sich alle Nackenhaare. Noch lange ist das Maximum nicht erreicht, das Tinnitus-Belastete rund um die Uhr ertragen müssen. Der erfolgsversprechende Weg aus der physischen wie psychischen Qual liegt in einem Geldbörsen großen Kästchen.

VS-Villingen. Volker Merz aus VS verspricht nicht zu viel, wenn er von einem therapeutischen Gerät oder "Hightech gegen Tinnitus" redet. Merz, Geschäftsführer der Firma Merz Electronic aus VS, und seine Mitarbeiterin Loredana Caligiuri, betreten mit ihrem neuen Gerät "tinniwell" technologisches Neuland. Das Unternehmen aus dem Technologiepark VS hat sich eigentlich auf kundenspezifische elektronische Eingabesysteme konzentriert, beispielsweise aus dem Maschinenbau oder der Medizintechnik. Die Eingabesysteme aus dem Hause Merz können in Schleifmaschinen eines mittelständischen Betriebes aus der Region ebenso sitzen wie an den Drehtüren des Stuttgarter Flughafens. Eher die Seltenheit sei es, "dass wir eigene Eingabegeräte entwickeln und dann noch als Patent für den internationalen und damit auch den US-Markt anmelden", beschreibt Merz im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten die Besonderheit der Vorstellung. Eines dieser eigenen Produkte ist "tinniwell". Ein Therapiegerät für Tinnitus-Belastete, das in drei Jahren entwickelt worden und dessen Name bereits als Marke eingetragen und rechtlich geschützt sei.

Anruf mit Folgen

Die Entwicklung für das handliche Gerät nahm mit dem Anruf eines Patienten in der Firma seinen Anfang. "Können Sie nicht etwas bauen, um die Symptome zu lindern?", war die klare Frage. Volker Merz, seit bald 20 Jahren Chef der VS-Firma, begann, Berge von Publikationen zu lesen, machte sich an die Arbeit und entwickelte ein Gerät, das in Kombination mit einem ANC-Kopfhörer bereits den ersten Testpersonen einer Studienreihe geholfen hat. 23 Personen, erzählt er, haben an der Studie teilgenommen, im Alter zwischen 17 und 70 Jahren. Die Bandbreite der Symptome-Linderung reichte von 20 bis 100 Prozent, berichtet der Geschäftsführer von den ersten Ergebnissen, die ein HNO-Arzt und Tinnitus-Experte ausgewertet habe. "Das Ergebnis einer technischen Machbarkeitsprüfung, das heißt die Umsetzung von medizinischen Erkenntnissen in ein technisches Gerät, war positiv", ergänzt er. Die Wirksamkeit dieser Methode sei in umfangreichen Untersuchungen und Probanden-Tests durch namhafte wissenschaftliche Institutionen nachgewiesen worden

Der Kopfhörer sitzt fest auf dem Kopf der Besucherin, das Gerät wird eingeschaltet. Zunächst werden alle Außengeräusche, vorbeifahrende Autos oder Vogelgezwitscher, herausgefiltert. Dann wird ein Ton in einer bestimmten Frequenz eingespielt. Mittels eines Reglers kann der Tinnitus-Betroffene den Eingabeton solange korrigieren, bis sein eigener persönlicher Tinnitus-Ton erreicht ist. Meistens bewege sich dieser bei Betroffenen in einem Frequenz-Bereich zwischen zwei und acht Kilohertz, bei den meisten Menschen variiere der persönliche Tinnitus-Ton, was vom Eingabegerät immer wieder aufs Neue gespeichert werde.

Chillen als Therapie

Danach wird das Gerät vom Einstellungsmode in den Therapiemode geschaltet. Beruhigende, eigens komponierte Musik wird eingespielt, auf ganz spezielle Weisen. Chill-Out-Klänge, die die Zuhörer für eine gute Weile vergessen lassen, dass es eigentlich ums Therapieren geht: Die belastende Frequenz wird, je nach Therapiemethode, entweder aus der Musik ausgeblendet statt des Tinnitus-Tones herrscht Stille oder aber der persönliche Tinnitus-Ton wird der eigentlichen Entspannungsmusik überlagert oder um 180 Grad phasengedreht. Alles mit dem Ziel, erläutert Merz, einen "lateralen Hemmungsprozess im Gehirn" in Gang zu setzen. Das heißt, dass bei täglichem Abspielen von etwa 30 Minuten der eigene Tinnitus-Ton mit der Zeit als schwächer und damit weniger belastend empfunden werde. Eine der Hauptursachen für Tinnitus sei nicht etwa, wie vielfach angenommen, zu laute Musik, sondern Stress. Fast jeder Zehnte soll verschiedenen Quellen zu Folge deutschlandweit unter Tinnitus leiden, also unter einem schrillen Dauerpfeifton oder unter einem ständigen Rauschen.

Verhandlung mit Kassen

Noch übernehmen die Krankenkassen nicht die Kosten, 2999 Euro sind es pro Gerät. "Doch wir sind dran", so Merz und Caligiuri. Alternativ dazu werden verschiedene Finanzierungsmodelle angeboten. Die Markteinführung läuft im Moment über eine Vertriebsgesellschaft in der Schweiz. Aber auch im Hause Merz Electronic ist ein Vertriebsstützpunkt eingerichtet. Hier finden auch regelmäßige Info-Abende und unverbindliche Vorführungen statt.

Weitere Informationen: Loredana Caligiuri, Telefon: 07721/8 87 89 12, E-Mail l.caligiuri@merz-electronic.de, www.merz-electronic.de\Healthcare-Produkte