Es sei in den vergangenen Jahren immer wieder zu beobachten gewesen, dass Einzelhandelsbetriebe Alkohol und Tabak an Jugendliche verkauften und es ihnen dadurch relativ leicht machten, an diese Waren zu kommen. Foto: AP

Testkäufe des Bürgeramts ergeben gravierende Verstöße. 55 Geschäfte überprüft.

Villingen-Schwenningen - Testkäufe des Bürgeramtes haben gravierende Verstöße gegen den Jugendschutz ergeben.

Es sei in den vergangenen Jahren immer wieder zu beobachten gewesen, dass Einzelhandelsbetriebe Alkohol und Tabak an Jugendliche verkauften und es ihnen dadurch relativ leicht machten, an diese Waren zu kommen. Eine zielgerichtete Überwachung der Einhaltung von Jugendschutzvorschriften sei daher sinnvoll und geboten, so die Verantwortlichen des Bürgeramtes. Das Bürgeramt gehe nicht allein durch regelmäßige Präsenz in Gaststätten, bei Veranstaltungen oder auf öffentlichen Plätzen und Brennpunkten vor, sondern auch durch Kontrollen der Einzelhandelsgeschäfte. Ein wirksames Mittel seien Testkäufe minderjährigen Jugendlichen.

55 Einzelhandelsbetriebe im Stadtgebiet wurden kontrolliert, darunter Lebensmittelgeschäfte, Tankstellen, Getränkemärkte und Toto-Lotto-Annahmestellen. Das Ergebnis war selbst für die Behörde überraschend: Trotz bundesweit umfangreicher Aufklärung und Prävention verkauften 62 Prozent der überprüften Betriebe Alkohol oder Zigaretten an Minderjährige. Bei den Lebensmittelgeschäften lag der Anteil sogar bei 69 Prozent. Das bedeutet, dass zwei von drei Betriebe gegen das Jugendschutzgesetz verstießen.

Die Testkäufer erlebten allerlei. So gab es in 16 Fällen, also fast einem Drittel der Geschäfte, überhaupt keine Ausweiskontrolle, und selbst wenn der Ausweis eingesehen und die Minderjährigkeit eindeutig zu erkennen war, erhielten die Jugendlichen in der Hälfte dieser Läden dennoch das Gewünschte. Ohne jegliche Probleme gelang es den Jugendlichen, in den betroffenen Einzelhandelsbetrieben Wodka, Rum, Kräuterschnaps und andere branntweinhaltige Getränke sowie Zigaretten einzukaufen.

"Ja nichts weitersagen"

Besonders gravierend war laut Bürgeramt die Erkenntnis, dass es Verkaufspersonal gab, das sich des Unrechts seines Handelns sehr wohl bewusst gewesen sei. So sei den Testkäufern geraten worden, "ja nichts weiterzusagen" oder der Hinweis erteilt, dass "dies eigentlich erst ab 18 verkauft werden" dürfe. Andere Verkäufer hätten das Alter mit dem Taschenrechner berechnet und trotz des richtigen Ergebnisses gegen das Verkaufsverbot verstoßen.

Das Resümee der aktuellen Testkäufe deckt sich mit den Erfahrungen früherer Aktionen. Schon 2004 hatte das Bürgeramt verschiedene Testkäufe vorgenommen und dabei viele Verstöße festgestellt. Seinerzeit waren Testkäufe in Fachkreisen nicht unumstritten. Mittlerweile hat sich die rechtliche und politische Einstellung jedoch verändert, und Testkäufe sind seit Frühjahr 2010 offiziell möglich. Das Bürgeramt hatte daraufhin schnell die Vorbereitungen für erneute Testkäufe getroffen, nach geeigneten Jugendlichen gesucht und sie geschult.

Die Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz sind kein Kavaliersdelikt. In allen Fällen werden daher Ordnungswidrigkeitsverfahren sowohl gegen das Verkaufspersonal als auch gegen den Geschäftsinhaber eingeleitet. Schnell kann es zu Bußgeldern im mittleren dreistelligen bis vierstelligen Bereich kommen. Das Bürgeramt hofft, dass die Testkäufe zu einer Veränderung des Verkaufsverhaltens in den Einzelhandelsbetrieben führen. Die bisherigen hohen Verstoßquoten sind für die Verantwortlichen nicht nur ein Alarmsignal, sondern auch eine Bestätigung für die Notwendigkeit solcher Instrumente.