Ließen es noch einmal richtig krachen: die Schwabenrocker von "Grachmusikoff" um Alexander und Georg Köberlein (Zweiter und Vierter von links) sowie Hansi Fink (rechts), die mit Paul Harriman und Martin Mohr den Hof zum Kochen brachten. Foto: Zieglwalner

Wenn Rock'n'Roller von Rente reden: Tosender Beifall für denkwürdiges Konzert beim Innenhof-Festival.

Villingen-Schwenningen - Der ganze Hof tanzte, sang und klatschte: Auf ihrer Abschiedstournee ließen es die Musiker von "Grachmusikoff" noch einmal richtig krachen und bereiteten gleichzeitig dem 29. Villinger Innenhoffestival einen lautstarken, manchmal auch melancholischen Abschied.

Froh waren die Macher des Festivals, dass das Wetter am letzten Abend mitmachte und das Konzert im Freien über die Bühne gehen konnte. Herrschte doch an der Abendkasse ein riesiger Andrang. Mit der Ankündigung, dass nach fast 40 Jahren nun tatsächlich Schluss ist mit "Grachmusikoff", hatten die Schwabenrocker noch einmal unzählige Fans aus einem weiten Umkreis angelockt.

Von Altersschwäche ist bei den Musikern allerdings keine Spur, kaum legen sie los, haben sie das Publikum mit dem unnachahmlichen, trockenen Humor und der mitreißenden Spielfreude auf ihrer Seite. Denn ihre Ansagen besitzen den gleichen Kultcharakter wie viele ihrer Lieder, die vor schwäbischem Charme sprühen.

So erzählt Alex Köberlein mit einem Augenzwinkern, dass es auf der ganzen Welt nur eine Beißzange gibt, aber jeder Schwabe meint, er hätte sie daheim. Und holt zu einer musikalischen Liebeserklärung der etwas andern Art aus: "Koiner hot se wella, aber I han se kriagt". Das sind sie, die alten Songs wie eben das fetzige Countrystück "Sie isch aus Bad Buchau", für die sie ihre Fans ebenso lieben wie für ihre nachdenklich stimmenden Balladen, ob das schaurige "Liad vom Bauragriag" oder das traurige Stück "Dr Franz" über einen Helden aus der Jugendidol, der sich erhängt hat.

Sie erzählen von der Enge und den Schwierigkeiten, als Kind in einer schwäbischen Kleinstadt wie Bad Schussenried aufzuwachsen, erinnern sich in "St. Magnus" an den katholischen Pfarrer, der mit Bildern von Evas Sündenfall und dem Fegefeuer Ängste schürte, oder an eine aus der DDR geflüchtete Familie, die nicht heimisch werden konnte, die Mutter hatte die Haare zu hoch toupiert und der Vater den Ruf als Gigolo weg.

Immer wieder zeigt sich ihre Stärke, Geschichte und Sozialkritik in fetzige Musik zu verpacken und mit den Instrumenten die passende Stimmung zu schaffen. Da sitzt Alexander Köberlein nicht nur am Keyboard, sondern wechselt blitzschnell zu Saxophon und Querflöte, sein Zwillingsbruder Georg Köberlein spielt neben der Gitarre, auch Posaune. Und Gitarrist Hansi Fink greift bei Liedern mit volkstümlichen Klängen zum Akkordeon.

Zusammen mit Paul Harriman am Bass und Schlagzeuger Martin Mohr überzeugen sie als Vollblutmusiker samt Instrumentaleinlagen und präsentieren ihre ureigene Mischung aus Blues und Rock, Polka und Blasmusik – und natürlich Reggae. Denn "Grachmusikoff" lässt auch die alten Tage von "Schwoißfuaß" aufleben, hat Klassiker wie "Paule Popstar", "Spreng, Karle, spreng", "Bin ich selbr Rastaman?" oder "Oiner isch emmer dr Arsch" im Gepäck, bei denen fast alle mitsingen können.

An diesem Abend hat wohl so mancher Fan den Weg in den Innenhof gefunden, der die beiden Bands seit ihren Anfängen kennt, aber auch die jüngeren Besucher scheinen begeistert von der energievollen Musik zu sein, mit der die angehenden Rentner den Innenhof zum Kochen bringen. Wie der Ruhestand als Rock’n’Roller aussehen könnte, das schildern sie im neuen Lied "Party im Hause Sonnenschein", einem Altenheim mit polnischen Krankenschwestern und einem Arzt aus der Hippie-Szene von Los Angeles. Klar, da ist Feiern bis zum Abwinken angesagt und auch ein Joint macht schon mal die Runde.

Nur so recht vorstellen mag sich das kaum einer, nun wirklich eines der letzten Konzerte der legendären Band erlebt zu haben. Mit tosendem Beifall revanchiert sich das Publikum für einen tollen Abend und fordert Zugaben ein. Fast kommt Wehmut auf, als die Band zum Abschied "Schön war die Zeit" anstimmt und Feuerzeuge aufflackern.

Ja, das war sie tatsächlich. "Danke, dass ihr da ward und dass ihr immer da ward, die Alten und die Jungen", verabschiedet sich Alexander Köberlein kurz und schmerzlos. Ein denkwürdiges Abschiedskonzert – und ein eindrucksvoller Abschluss des 29. Innenhoffestivals, der neugierig macht, was sich die Macher so alles für die Jubiläumsauflage im kommenden Jahr ausdenken.