Rosy Ettwein sagt nach fast 20 Jahren "Tschüss". Im Schwenninger Einzelhandel hinterlässt sie eine große Lücke. Foto: Kratt Foto: Schwarzwälder-Bote

Familienunternehmen: Das Modestoffgeschäft Schlenker Benzing schließt im Dezember seine Pforten

Das Traditionshaus Modestoffe Schlenker Benzing gehört zu den ältesten Familienunternehmen der Branche und zu den ältesten Geschäften Schwenningens überhaupt. Nach 164 Jahren endet eine Ära: Inhaberin Rosy Ettwein geht zum Ende des Jahres in den Ruhestand.

VS-Schwenningen. "Jetzt wissen wir gar nicht, wo wir künftig die Stoffe kaufen sollen", ist der allgemeine Tenor an diesem Morgen im Stoffgeschäft Schlenker Benzing. Die Kunden können es immer noch nicht glauben, dass die Schwenninger Institution spätestens Mitte Dezember schließen wird.

"Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge", sagt Inhaberin Rosy Ettwein. Sie hat das Geschäft 1998, das bis dahin in Besitz der Familien Benzing, Schlenker und Class gewesen war, übernommen und seither eigenständig geführt. Sie habe stets ein erfülltes Berufsleben gehabt und den Kundenkontakt genossen. "Bei uns stand die Beratung immer an erster Stelle", meint sie. Und auch die Angebotsqualität wurde im Hause Schlenker-Benzing, das im Jahr 1853 zunächst als Gemischtwarenladen in der Alten Herdstraße 13 gegründet wurde, immer groß geschrieben: Namenhafte Designerstoffe statt asiatische Billigware lockten nicht nur Stammkunden aus der nahen Umgebung, sondern auch vom Bodensee oder Stuttgart. Durch das anspruchsvolle Sortiment seien vor allem Schneider-Experten nach Schwenningen gekommen.

"Wer Geschmack hat, geht aufs Individuelle und näht selber oder lässt nähen", beschreibt Rosy Ettwein, die seit ihrer Ausbildung im Villinger Stofffachgeschäft Hertenstein selber passionierte Näherin ist. Einen Schwerpunkt hatte sie zudem auf Stoffe und Zubehör aus der Villinger Fasnet gesetzt. Das Geschäft war sogar Anlaufstelle von Kunden aus der Mittelalterszene. "Wenn es im Internet nichts mehr gab, haben sie es hier bekommen", erzählt die Betriebswirtin.

Die hohe Kundenfrequenz hat ihrem Erfolgskonzept bis zuletzt Recht gegeben. Doch warum ist gerade jetzt Schluss? "Ich werde mich anderen Prioritäten widmen und möchte, dass das Geschäft in seiner Blüte aufhört", erklärt die Villingerin. Auch für das vorherige Inhaber-Ehepaar Class, das noch immer über dem Geschäft wohnt, möchte sie den Ruf des Fachgeschäfts in Ehren bewahren, betont sie.

Ettwein weiß, dass mit der Geschäftsaufgabe ein wichtiger Baustein im regionalen Einzelhandel wegfällt. Aktiv nach einem Nachfolger gesucht habe sie nicht. Sie wisse aus eigener Erfahrung, dass der Betrieb in dieser Branche eine Menge Anforderungen mit sich bringt.

Auch wenn es Ettwein schwer fällt, das Berufsleben hinter sich zu lassen, ist sie froh, ihren Alltag "ein bisschen freier" gestalten und sich ihren Hobbies widmen zu können. Es sei ein Schnitt – im wahrsten Sinne des Wortes. "Und jeder Schnitt tut ein bisschen weh."