Erste Annäherung: Flüchtlinge und Schüler lernen sich kennen und verstehen. Foto: Kommert Foto: Schwarzwälder-Bote

Refugio: Flüchtlinge im Schulterschluss mit Gymnasiasten

Von Hans-Jürgen Kommert

"Kennenlernen und Verstehen", das ist gerade mit Blick auf die Flüchtlinge in der Region angesagt. Ein Grund mehr, das Motto im Gymnasium am Hoptbühl auszurufen.

Villingen-Schwenningen. Nach der sehr erfolgreichen Spendenaktion der SMV am Gymnasium, bei der 1400 Euro an die Organisation Refugio überwiesen wurden, war klar: "Die Schüler und traumatisierte Flüchtlinge sollen durch ein integratives Projekt von dieser Spende gemeinsam voneinander profitieren", so Veronika Herz von Refugio. Das geschieht nun im Rahmen des Projekts "Kennenlernen und Verstehen, das am Freitag für 40 Schüler der achten und elften Klassen sowie ein knappes Dutzend Flüchtlinge und Asylbewerber aus verschiedenen Herkunftsländern begann.

Erschreckende Geschichten, die das Leben schrieb

Das Gymnasium und Refugio arbeiten seit Jahren zusammen. Das mehrmonatige Projekt ist ein weiterer Baustein der Kooperation und soll gemeinsame Erlebnisse zwischen jungen Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen ermöglichen. In vier Schritten lernen beide Seiten einander näher kennen. Zum "Erkunden der alten, respektive neuen Heimat" gibt es einen gemeinsamen Ausflug am Samstag, 18. Juni. Bis zum 25. Juli läuft die "Schreibwerkstatt", in der Schüler und Flüchtlinge die Eindrücke festhalten. Höhepunkt ist ein "interkulturelles Sommerfest" am 26. Juli.

Bei der Auftaktveranstaltung schilderte der 19-jährige Afghane Muhammad Sher Khan in perfektem Deutsch, warum er sein Land verlassen hatte. Er ist seit drei Jahren in Deutschland und ist vielleicht eines der besten Beispiele für gelungene Integration: Die mittlere Reife hat er in der Tasche, er besucht das Wirtschaftsgymnasium und will ein Wirtschaftsstudium beginnen – "und wenn es in meinem Land eines Tages möglich ist, will ich dahin zurück und mit meinen Kenntnissen beim Aufbau helfen." Er sei mit elf Jahren nach Pakistan geflohen, vor dem Krieg, den die Taliban mit den Amerikanern führen. Dort habe er keine Perspektive gehabt, hier sieht er viele Chancen. Seine Familie lebt in Pakistan, über Skype hält er die Verbindung.

Eigentlich höre man aus seinem Land nichts mehr, dennoch, so erzählt der gelernte Schreiner Mugunthan Mahenthirarasa, der einst ein eigenes Geschäft führte, von Unterdrückung der tamilischen Minderheit, von Folter und einseitiger Bevorzugung der singhalesischen Mehrheit. Demonstrationen gegen die Regierung hätten Gefängnis und Folter mit sich gebracht. Aus Angst um sein Leben und vor Repressalien sei er geflüchtet.

Torfik Bello ist 52 Jahre alt. Ihn hat der Krieg zwischen Moslems und Christen zur Flucht getrieben. Nach einem Überfall der Moslems auf sein Dorf habe er sich mit seiner Familie in den Busch zurückgezogen und sei dann mit zwei Kindern über Niger, Libyen und Griechenland nach Deutschland geflüchtet. Sein Vater sei der Voodoo-Geistliche des Dorfes gewesen, er habe die Nachfolge verweigert. Als studierter Wirtschaftswissenschaftler will er eines Tages beim Wiederaufbau seines Landes helfen.

Der 27-jährige Eritreer Biniam Ghebremicael erzählt eine ähnliche Geschichte – von der Gefahr, lebenslang zum Militärdienst genötigt zu werden, von der Chancenlosigkeit, der Flucht über den Sudan und Libyen nach Europa.

Nicht immer ganz einfach gestaltete sich beim Projekt die Verständigung. Doch Khadija Dalloul konnte da helfen. Die junge Libanesin ist seit vier Jahren in Deutschland, macht in Waldshut ihre Mittlere Reife. Wenn man sie lässt, will sie Krankenschwester werden, der Operationssaal ist ihr Fernziel. "Warum sind sie aus dem Libanon hierhergekommen, der Libanon gilt doch als sicher", fragt Schulleiterin Simone Duelli-Meßmer. Ihre Mutter sei Muslima aus Syrien, der Vater libanesischer Christ – das macht die Familie zu Verfolgten.