Graziella Santoro Foto: kib

"Ich bin es einfach leid, um mein Gehalt zu kämpfen", sagt Friseurmeisterin Graziella Santoro.

Villingen-Schwenningen - "Ich bin es einfach leid, um mein Gehalt zu kämpfen", sagt Graziella Santoro. Deshalb habe sie bei der Friseurkette Klier gekündigt und den Friseurberuf aufgegeben. Als Büroassistentin verdient die 29-jährige Villingerin jetzt etwa das gleiche Gehalt – ohne aber samstags arbeiten und Umsatzziele erreichen zu müssen.

Graziella Santoro ist eine von vielen Friseurinnen, die als Zeugen im Prozess gegen eine Regionalleiterin der Friseurkette Klier vor dem Villinger Amtsgericht geladen sind. Der Angeklagten wird vorgeworfen, Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten zu haben, indem sie Friseurinnen, insbesondere Salonleiterinnen und deren Stellvertreterinnen, nicht zu den in Baden-Württemberg geltenden Tarifen beschäftigte.

Graziella Santoro erhielt als Salonleiterin mit Meisterbrief 1600 Euro brutto Monatslohn, Tarifgruppe 4 statt 5. "Angeblich war das ein Jungmeisterlohn", berichtet die 29-Jährige gestern, am neunten Verhandlungstag, "den gibt es aber gar nicht." Netto blieben rund 1100 Euro übrig, bei Vollzeitbeschäftigung. Hinzu gekommen seien Trinkgelder. "Monatlich 100 bis 150 Euro", schätzt Santoro, "wenn es gut lief." Nach mehreren Gesprächen habe ihr die Bereichsleiterin das Gehalt um 100 oder 200 Euro erhöht. Eine "übertarifliche Bezahlung" wurde ausgewiesen, "obwohl ich noch immer unter Tarif lag".

"Es gibt Tarife, die einzuhalten sind"

Daraufhin kündigte Graziella Santoro. "Es gibt Tarife, die einzuhalten sind", ärgert sie sich, "bei Klier ist das nicht so." Leider wüssten viele Friseurinnen gar nicht, was ihnen zusteht. Bei Klier hätten schon einige gekündigt, erinnert sich die Villingerin, "viele kehren aber zurück". Immerhin zahle Klier pünktlich. Außerdem vermutet die 29-Jährige, dass es bei anderen Ketten noch schlimmer ist.

Der Preisdruck bei den "Billigfriseuren" sei hoch und werde an die Mitarbeiter weitergegeben. "Man muss einen bestimmten Umsatz schaffen", erläutert Santoro, "der berechnet sich aus dem Bruttolohn." Eine 25-Jährige aus Geislingen hat diesen Druck deutlich zu spüren bekommen: Da sie ihre Verkaufsziele nicht erreicht habe, berichtete sie, habe man sie auf Teilzeit heruntergestuft. "Ich habe eingewilligt, mir blieb ja nichts anderes übrig."

Aus Angst um den Arbeitsplatz erklärten sich viele Friseurinnen auch zu so genannten "Flexitagen" bereit, sagt Graziella Santoro. "Das ist freiwillig gezwungener Urlaub", den man in schwachen Zeiten nimmt, um Kosten zu sparen. Laut Klier würden dadurch Kündigungen verhindert. Einige Mitarbeiter stören sich nicht an den Arbeitsbedingungen, wie die Aussage einer 33-Jährigen belegte: Sie hatte selbst als stellvertretende Salonleiterin keine Gehaltserhöhung bekommen. Jedes Jahr habe es "so ein bisschen mehr" gegeben. "Das war okay."

Entlastet wurde die Angeklagte gestern durch die Aussage einer ehemaligen Salonleiterin, die auf Nachfrage sofort den Tariflohn erhielt.