Es ist nur eines von zahlreichen zweifelhaften Gerüchten, was sich auf Facebook zu den Flüchtlingen erzählt wird. (Symbolfoto) Foto: dpa

Zweifelhafte Gerüchte über Flüchtlinge auf Facebook verbreitet. Es herrsche "Kleinkrieg", die Polizei greife nicht durch.

Villingen-Schwenningen - Es ist nur eines von zahlreichen zweifelhaften Gerüchten, was sich auf Facebook zu den Flüchtlingen erzählt wird. Es geht um Nötigung, vielleicht Freiheitsberaubung – angeblich unter den Augen von Polizeibeamten.

Alles fängt – wie so oft in solchen Fällen – mit einem Facebook-Eintrag unter einem der Berichte auf der Seite des Schwarzwälder Boten zu einer Auseinandersetzung in einer Flüchtlingsunterkunft an. Der Inhalt des Kommentars: Drei Syrer hätten sich in das Auto einer Frau gesetzt und sie gezwungen, nach Donaueschingen zu fahren. Die Polizei hätte nichts dagegen machen können, wäre zur Sicherheit der Frau aber hinterhergefahren. Es herrsche ein "Kleinkrieg", die Polizei greife nicht durch, sie würden nicht mal gegen die Flüchtlinge vorgehen dürfen. Klingt zunächst wie der Beitrag eines klassischen Hetzers, der über Facebook sein rechtes Gedankengut verbreitet.

Doch in diesem Fall wird dieser angebliche Sachverhalt von einer Frau verbreitet, die nach außen hin als stolze Mutter auftritt, von Hetze ist in ihrem Profil nichts zu sehen. Eher im Gegenteil. Ist an der Sache also doch etwas dran?

Wir fragen direkt nach, wo und wann sich diese Geschichte abgespielt haben soll, "vergangene Woche in Villingen" heißt es – für genaue Angaben müsse sie nochmals nachfragen. Während sie dementiert, dass es sich hierbei um ein Gerücht handelt, bekommt sie Unterstützung von einer weiteren Mutter aus einem Nachbarlandkreis. "Ich hab’s auch aus sicherer Quelle, ich war fassungslos."

Sichere Quelle? Auf Nachfragen erklärt sie uns, "eine Bekannte von mir kennt die Dame persönlich". Das angebliche Opfer sei über 80 Jahre alt, hätte vor vier Wochen in Schwenningen an einer Tankstelle am Messegelände getankt. Die Polizei habe damals an der Tankstelle mit den Flüchtlingen geredet, die offenbar nach Donaueschingen wollten – allerdings nicht im Streifenwagen. "Deshalb musste sie fahren", berichtet die Frau aus ihrer sicheren Quelle. Andernorts heißt es, die Flüchtlinge wäre einfach in das unverschlossene Auto gestiegen und hätten die Frau zu der Fahrt gezwungen.

Viele Widersprüche

Wir fragen erneut nach – bei der Frau, die diese Gerücht zunächst verbreitet hatte. "Das war letzte Woche wie ich weiß in Villingen. Bei einer jüngeren Dame." Und damit eine komplett widersprüchliche Angabe zu den bisher vorliegenden Informationen. Später korrigiert sie sich aber. Es wäre der 14. oder 15. November in Schwenningen gewesen. Dass an dieser Sache vielleicht nichts dran ist, das kommt für sie auf keinen Fall in Frage.

Die Polizei recherchiert auf unsere Bitte hin – sowohl zu möglichen Vorfällen in Villingen als auch in Schwenningen. Doch ohne Ergebnis. "Es haben sich keine Anhaltspunkte für einen solchen Sachverhalt ergeben", heißt es seitens eines Pressesprechers der Polizei. Überhaupt hält man einen solchen Vorfall für "nicht möglich". Es würde sich um eine Nötigung, eventuell Freiheitsberaubung handeln – also schwerwiegende Straftaten. "Ein solches polizeiliches Verhalten ist undenkbar", äußert sich die Polizei geradezu entsetzt über die Vorwürfe.

Auch der betroffene Tankstellenbetreiber wird mit dem Gerücht konfrontiert. "Mir ist diesbezüglich nichts bekannt – ich vermute, dass ein solches Ereignis bis zu mir vorgedrungen wäre", erklärt er auf Anhieb. Dennoch befragt er seine Mitarbeiter, ob ihnen etwas zu einem solchen Vorfall bekannt ist. Dann ist für ihn klar: "Ein derartiger Vorfall hat definitiv nicht stattgefunden."

Die Polizei liefert weitere Beweise, warum es sich hierbei wohl erneut eine Unwahrheit verbreitet wird. "Dieses Gerücht wurde auch schon im Spätsommer lanciert. Allerdings spielte sich die Geschichte damals in Villingen auf einem Tankstellengelände an der Wieselsbergstraße ab", berichten die Beamten. Schon damals gab es keinerlei Hinweise darauf, dass sich ein solcher Vorfall tatsächlich abgespielt hat.

Keine Volksverhetzung

Doch gegen die noch unbekannten Urheber des Gerüchts wird seitens der Polizei wohl nicht vorgegangen. Der Tatbestand der Volksverhetzung sei nicht gegeben, da die Bevölkerung aufgrund dieser erfundenen Geschichte nicht verunsichert wird. Ein fader Beigeschmack bleibt trotzdem – auch, weil die Gerüchte meist weiter verbreitet werden, obwohl sie bereits widerlegt wurden.