"Der Abschluss des Insolvenzverfahrens ist gegenwärtig nicht zu übersehen", sagt der Insolvenzverwalter der Hess AG, Volker Grub. Foto: ViennaFrame – stock.adobe.com

Heillos überlastete Justiz macht das Wirtschaftsverfahren zur Geduldsprobe.

Villingen-Schwenningen - Eine heillos überlastete Justiz lässt die Aufarbeitung des Bilanzskandals um den Villinger Leuchtenhersteller Hess AG zur Hängepartie ausarten.

"Der Abschluss des Insolvenzverfahrens ist gegenwärtig nicht zu übersehen." Was der Insolvenzverwalter der Hess AG Villingen-Schwenningen, Volker Grub, in einem Schreiben an die Gläubiger gelassen formulierte, ist dazu geeignet, Juristen auf die Palme zu bringen. Denn es ist nicht etwa die Kompliziertheit der Materie, die die Aufarbeitung behindert, sondern die Überlastung der Gerichte.

"Das kommt einem Offenbarungseid der Justiz gleich", sagt der Rechtsanwalt Grub ungeniert deutlich. "Die Prozesse kommen nur sehr schleppend voran", schrieb er im Sommer an die Gläubiger. Und im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten erzählt er hörbar frustriert: "Wir warten überall." Ob die Causa Hess verjährt, ehe sie verhandelt wird? "Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es irgendwann einmal im Sande verläuft", gibt Grub zu. Es sei ja noch nicht einmal über die Zulassung der Anklage im Strafverfahren der Hess AG entschieden.

Als Begründung führe die zuständige Richterin in Mannheim die "Überlastung der Wirtschaftsstrafkammer" an. Und bezüglich des Schadensersatzprozesses in Karlsruhe beim Oberlandesgericht sieht es nicht besser aus – dort haben die ehemaligen Hess-Vorstände Christoph Hess und Peter Ziegler gegen ein Urteil des Landgerichts Konstanz vom Juni 2017 auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von zwei Millionen Euro Berufung eingelegt. Man rechne in Karlsruhe mit einer mehrjährigen Prozessdauer, nachdem auch dieses Gericht angibt, "völlig überlastet zu sein".

Volker Grub hingegen klagt nicht über Überlastung. Dabei wäre das verständlich: 80 Jahre alt ist der Stuttgarter Star-Anwalt Mitte September geworden – und trotzdem noch "im Dienst". Als Liquidator, Vergleichs-, Konkurs- und Insolvenzverwalter führte er über 500 Verfahren. In seiner Vita darf er so prominente Aufgaben wie die Verfahren über die Schiesser AG oder die Vertretung des ehemaligen Drogeriemarktkönigs Anton Schlecker aufzählen.

Und ganz am Ende der ellenlangen Referenz-Liste glimmt noch immer ein zwar mittelständisches, aber doch gar nicht mal so kleines Licht: der Fall der Hess AG aus dem Jahre 2013. Es geht um Gläubiger-Forderungen in Höhe von über 100 Millionen Euro. Untreue im besonders schwerem Fall, Verdacht der unrichtigen Darstellung nach dem Handelsgesetzbuch beziehungsweise Aktiengesetz nebst Verletzung der Buchführungspflicht, Kapitalanlagebetrug mit vorsätzlicher Marktmanipulation und Kreditbetrug werden den ehemaligen Hess-Chefs Christoph Hess und Peter Ziegler vorgeworfen.

Im selben Zuge werden fünf weitere Personen beschuldigt. Darunter ist auch der ehemalige Hess-Aufsichtsratsvorsitzende und Seniorchef Jürgen G. Hess. Gegen ihn sei, so Volker Grub in seinem Schreiben an die Gläubiger, beim Landesarbeitsgericht Freiburg noch immer ein Rechtsstreit wegen seiner Schadensersatz- und Pensionsansprüchen anhängig.

Grub selbst wäre als 80-Jähriger ebenfalls längst in der Dekade der pensionierten Herren angekommen. Doch ihn beschäftigt die Causa Hess noch. Neue Fälle nimmt der Stuttgarter Jurist gar nicht mehr an. "Ich erledige jetzt meine alten Dinge, die noch da sind", erzählt er trotzdem gut gelaunt im Plauderton und macht deutlich, dass es an seiner Mitarbeit oder der seiner Kanzlei im Falle Hess nicht scheitern soll: "Wir haben junge Kollegen, die eingearbeitet sind in den Fall", allen voran Martin Muchar sei im Bilde, wenn es um den Bilanzskandal der Villinger Design-Leuchtenschmiede geht.

Ganz anders die Justiz: Bei der großen Wirtschaftsstrafkammer in Mannheim haben Richter offenbar noch nicht einmal vernünftig in die Akten geschaut. "Ich kriege ja nicht einmal Akteneinsicht, weil das Gericht sagt, es müsse erst einmal Akteneinsicht nehmen, ehe ich sie bekomme", schildert Grub. Für 2017 kann man einen möglichen Prozessbeginn getrost abschreiben. Und auch für 2018 ist dies in Grubs Augen "mehr als unwahrscheinlich".

"Das ist eine unendliche Geschichte", seufzt der Anwalt. Zwar durften sich Gläubiger im Insolvenzverfahren der Hess AG unlängst über eine Abschlagszahlung in Höhe von sieben Prozent freuen (wir berichteten) – Forderungen in Höhe von 102,7 Millionen Euro mussten berücksichtigten werden. Dennoch hängen auch sie in der Warteschleife – von der gerichtlichen Aufarbeitung hängt auf dem Weg zur erwarteten Gesamtquote von 15 Prozent viel ab.