Die Fachfrauen aus der Schwangeren- und Familienberatung von Caritas, Diakonie und Pro Familia erörterten mit Andrea Klausmann (Caritas), Karin Bürk-Jakober (Diakonie) Familienhebamme Beate Andersen und Julia Steinmann vom Hebammenkreisverband den bedrängenden Mangel an Hebammen in der Region. Foto: Winkelmann-Klingsporn Foto: Schwarzwälder-Bote

Geburtshilfe: Versorgung kann fast nicht mehr gewährleistet werden

Von Elisabeth Winkelmann-Klingsporn

Villingen-Schweningen. "Demnächst sollte man sich erst eine Hebamme besorgen und dann schwanger werden", beschreibt Karin Bürk-Jakober vom Diakonischen Werk die Situation. Mitarbeiterinnen in der Schwangerschafts- und Familienberatung von Caritas, Diakonie und Pro Familia machten jetzt den bedrängenden Mangel an Hebammen in der Region öffentlich.

In einem Gespräch mit Vertreterinnen des Hebammenverbandes, zu dem Andrea Klausmann von der Caritas ins Gutleuthaus in Villingen eingeladen hatte, wurden Gründe der bedenklichen Situation angesprochen. Es gibt immer weniger Hebammen, die schwangere Frauen und deren Säuglinge vor, während und nach der Geburt betreuen. In den Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände ist der Hebammenmangel ein fast tägliches Problem.

Die Familienhebammen, erzählt Beate Andersen, möchten vor allem in der Verwaltung vieles vereinfachen und besser regeln, aber da gebe es noch nicht viel Konsens, und Fortbildungen seien wegen fehlender Regelungen eingefroren. Die Finanzierung sei nicht einfach, aber über Jahre habe man zum Beispiel bei der Gebührenordnung relativ viel erreicht. Drei bis vier Tage nach der Entbindung wird die Frau aus der Klinik entlassen, "egal wie es geht", stellt Andersen fest. Offen ist, wer die dann folgenden Probleme auffängt, Wundheilungsstörungen, Brustentzündungen, Zustand nach Kaiserschnitt und Stillprobleme. Rücküberweisungen in die Klinik nähmen zu. Zudem fehle es an Frauen- und Hausärzten und an allen Schaltstellen an Geld. "Da produzieren wir sehenden Auges Gefahren."

Für Frauen im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft ist es schier unmöglich einen Platz in einem Geburtsvorbereitungskurs zu finden. In Geburtskliniken müssen Hebammen mehrere Gebärende gleichzeitig betreuen. Jede siebte Frau in Baden-Württemberg wird nicht mehr von einer Hebamme versorgt, wenn sie drei Tage nach der Geburt das Krankenhaus verlässt.

Die Folgen sind bereits erkennbar: Die Anzahl der Kinder, die wegen Neugeborenengelbsucht wieder ins Krankenhaus müssen, ist gestiegen, ebenso die Anzahl der Frauen mit nachgeburtlichen Blutungen. Mütter und erst recht Alleinerziehende sind nach der Geburt weitgehend sich selbst überlassen, wenn es zuhause um die Versorgung des Neugeborenen geht. Jeder fünften Frau, das wird in der Schwangerenberatung deutlich, fehlt ein soziales Netz. Da ist der Hebammennotstand in der verletzlichen Zeit von Schwangerschaft und Geburt höchst alarmierend, sagen die Fachfrauen.

Vor allem die finanzielle Situation hat dazu geführt, dass zahlreiche freiberufliche Hebammen aus der Geburtshilfe ausgestiegen sind. Die im Kreis arbeitenden rund 40 Fachfrauen sind bis Februar 2016, die Familienhebammen bis Juni 2016 ausgebucht. Die Versorgung mit Hebammen kann nicht mehr gewährleistet werden und davon ist der ländliche Raum besonders betroffen. Aber auch im stationären Bereich gibt es zu wenig Hebammen, Krankenstand, Ausfälle und Burnout vor dem Hintergrund hoher Arbeitsbelastung. Im Kreisklinikum wird in 2015 mit bis zu 2000 Geburten gerechnet.

Julia Steinmann machte die besondere Belastung der Hebammen deutlich: Hohe persönliche Verantwortung und durchgängige unbezahlte Rufbereitschaft rund um die Uhr an allen Wochentagen. Dazu kommt die schlechte Bezahlung für freiberufliche Hebammen. In Vollzeitarbeit wird ein durchschnittlicher Umsatz zwischen 23 900 und 37 350 Euro erreicht. Dabei trägt die freiberufliche Hebamme das volle unternehmerische Risiko und muss Betriebsausgaben wie Versicherungen, Praxismiete, Benzin, Steuern und Sozialversicherungen von ihren Einnahmen bestreiten. Zudem sind die Haftpflichtversicherungsbeiträge von 1981 von jährlich 30 Euro auf 6274 Euro 2015 gestiegen. "Wir konnten uns nicht vorstellen, dass so was in Deutschland möglich ist", sagt die engagierte Verbandsvertreterin Steinmann.