Reinhold Hummel gönnt sich eine kleine Pause vor dem evangelischen Pfarrhaus. Foto: Schimkat Foto: Schwarzwälder-Bote

Interview: Reinhold Hummel hilft verschuldeten Menschen / Probleme immer ähnlich / Lange Warteliste

VS-Schwenningen. Reinhold Hummel, Diplom Sozialpädagoge, ist bei der Diakonie Schwenningen in der allgemeinen Sozialberatung, Schuldner-, Paarberatung, Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung tätig. Zur Zeit betreut er in der Schuldnerberatung rund 80 Menschen, zwischen 20 und 40 Ratsuchende stehen auf der Warteliste.

Wann haben Sie damit begonnen, Menschen, die sich verschuldet haben, zu beraten, und wie hat sich die Schuldnerberatung bis heute entwickelt?

1985 begann ich mit der Beratung von Verschuldeten, um 1999 war die Professionalisierung der Schuldnerberatung weitgehend erreicht, da es ab dieser Zeit das Privatinsolvenzverfahren gab und die Schuldnerberatung eine gesetzliche Mitwirkung hatte.

Wie zeigten sich die Unterschiede ihrer Beratungsmöglichkeiten zwischen den Anfängen und heute?

Die Menschen, die Hilfe suchten, sind bis heute die gleichen, aber in den Anfangsjahren waren meine Handlungsmöglichkeiten geringer. Unsere Aufgabe in der Diakonie war es damals, mit den Gläubigern zu verhandeln und Ratenzahlungen auszuhandeln. Das spielte sich alles außergerichtlich ab und war ein mühsames Geschäft. Wenn die Gläubiger sich nicht auf eine außergerichtliche Einigung einlassen wollten, waren die Handlungsmöglichkeiten begrenzt. Das Privatinsolvenzverfahren bietet heute bessere, eben gesetzliche Möglichkeiten, den verschuldeten Menschen zu helfen.

War es früher leichter, Darlehen zu bekommen?

Ja, da die meisten Arbeitnehmer noch unbefristete Arbeitsverträge hatten, erhielten sie dadurch schneller ein Darlehen. Heute haben viele Arbeitnehmer befristete Arbeitsverträge. Die Banken haben heute erhöhte Prüfungs- und Beratungsverpflichtungen, was die Rückzahlung betrifft. Dadurch wird es schwieriger, Darlehen zu bekommen. Kann man jedoch Bürgen vorweisen, ist es wieder leichter, Darlehen zu erhalten. Ich persönlich halte Bürgschaften jedoch nur in speziellen Fällen für sinnvoll, da der Betroffene, der sein Darlehen nicht bezahlen kann, den Bürgen mit in die Schuldenfalle reißt.

Wir sprechen in manchen Schuldenfällen auch von ›Schulden aus Liebe‹. Manche Frauen halten ökonomisch oft ihren Kopf für den Partner hin und haben keine oder wenig Ahnung, was auf sie zukommt. Heute würde ich Frauen, die auf Schulden sitzen bleiben, raten, ein Insolvenzverfahren zu beantragen, wenn es für sie sinnvoll ist.

Welches ist die größte Gruppe an verschuldeten Menschen, die zu Ihnen kommt?

Da sind einmal die Personen, die arbeitslos waren oder sind und in der Zeit der Arbeitslosigkeit Schulden machten. Dazu kommen die Menschen, die bedingt durch Krankheit erwerbslos sind. Menschen, die Trennungen und Scheidungen hinter sich haben, kommen zu mir. Dabei unterliegen viele dem Irrglauben, dass sich bei einer Scheidung der Umfang der Schulden halbiert. Das stimmt nicht, jedes Paar, das gemeinsam Schulden machte, haftet auch nach der Trennung in vollem Umfang für die gemeinsamen Schulden. Oft kommen sie dann in die Schuldenspirale, was heißt, dass sie die steigenden Schulden nicht mehr in den Griff bekommen.

Zu mir kommen auch viele Rentner, die ihre Schulden – manche haben zum Beispiel Darlehen für ihre Kinder aufgenommen – regeln wollen. Natürlich kommen auch viele Alleinerziehende, meistens sind es Frauen, zu mir.

Wir beraten hier vor allem Menschen, die ein eigenes Einkommen und keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben, weil Verschuldete mit Anspruch auf Sozialleistungen vom Landratsamt beraten werden.

Was sind Ihre Ziele für verschuldete Menschen und wie beginnen Sie ein Gespräch?

Mein großes Ziel ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Die Beratung beginnt mit der Existenzsicherung, das heißt, die Klärung der Frage, wie ist der Lebensunterhalt gesichert. Dann werden die Schulden erfasst und am Ende zeige ich Wege auf, wie die Schulden getilgt werden können. Wir von der Diakonie tilgen die Schulden nicht.

Zuerst erstelle ich mit der Person, die sich verschuldet hat, einen monatlichen Finanzplan. Hier werden die festen Ausgaben wie unter anderem Miete, Strom, Wasser und Heizung aufgeführt. Dazu kommen die Versicherungen, die KFZ-Kosten, Kindergarten und so weiter. Dagegen stehen die Einnahmen wie Lohn, Kindergeld, Unterhalt und die veränderlichen Ausgaben wie Lebensmittel, Ausgaben für Bekleidung. Dann ergibt sich der Restbetrag oder der Minusbetrag für die Person.

Ich informiere die Leute über den Schuldnerschutz, denn sie müssen wissen, was eine echte Forderung oder eine unberechtigte Forderung ist. Anhand der Pfändungstabelle kann ich Verschuldeten sagen, wie das Einkommen bei ihnen geschützt ist.

Verschuldete, deren Konto gepfändet ist, erhalten von mir eine Bescheinigung für ein Pfändungsschutzkonto, wenn es notwendig ist. Damit wird den verschuldeten Menschen ihr Existenzminimum auf dem Konto gesichert und der jeweils berrechnete Betrag auf dem Konto vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt.

Was macht Ihre Arbeit aus?

Ich betrachte Menschen nicht nur als Schuldner, sondern als Menschen in ihrer Gesamtheit. Dazu braucht es Verständnis und Empathie, Zeit und Raum, dass Menschen von sich erzählen können. Neben der Zuwendung zu Menschen wird in der Beratung auch die Fähigkeit zur Abgrenzung benötigt. Das ist ein Bestandteil der Ausbilding, die eigene Rolle als Helfer zu finden. Menschen zu helfen, ist eine sinnvolle Tätigkeit und motiviert mich.