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Neue Erkenntnisse zum Anschlag auf Flüchtlingsunterkunft im Januar. Fremdenfeindlicher Hintergrund ausgeschlossen.

Villingen-Schwenningen - Es war die Nacht auf Freitag, den 29. Januar 2016, als um 1.15 Uhr eine Handgranate auf das Gelände eines Flüchtlingsheims in Villingen-Schwenningen flog. Was deutschlandweit nicht nur für blankes Entsetzen sorgte, sondern auch rasch als mutmaßliche Tat aus dem rechtsradikalen Milieu verurteilt worden ist, hatte jedoch ganz andere Hintergründe: Revierkämpfe unter Sicherheitsfirmen sollen dahinterstecken.

Nichtsdestotrotz: Es hätte tödlich enden können. Die Handgranate war scharf – wenngleich sie auch nicht explodiert ist. Und auf dem Gelände hielten sich Menschen auf. Flüchtlinge ebenso wie Security-Personal. Drei Wachleute saßen zum Tatzeitpunkt in dem Container in der Dattenbergstraße des Stadtbezirks Villingen, auf den die Granate geworfen worden war.

Auf versuchten Mord lautet nun auch die Anklage, welche die Staatsanwaltschaft Konstanz vor dem Landgericht Konstanz, dem Schwurgericht, gegen sechs Männer erhebt. Weitere Anklagepunkte sind das versuchte Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.

Die sechs Männer waren der Polizei im Rahmen der umfangreichen Ermittlungen ins Netz gegangen. Eine 75-köpfige Sonderkommission drehte in dem Fall buchstäblich jeden Stein um. Immer wieder kamen die Ermittler nach Villingen-Schwenningen, um den Tatort in Augenschein zu nehmen und mögliche Fallkonstruktionen aufzubauen.

Voreilig wurde fremdenfeindlicher Hintergrund angenommen

Schon zwölf Tage nach der Tat schlossen die Ermittler einen fremdenfeindlichen Hintergrund aus und konzentrierten sich auf das Milieu der Security-Branche. Es wurden Bücher mehrerer Sicherheits-Firmen durchforstet, und schließlich erhärtete sich der Verdacht, dass einer der Angeklagten ein Monopol im Sicherheitsgewerbe aufbauen wollte. Die Granate sollte dazu wohl den Weg ebnen. Denn die Bewachung der Flüchtlingsunterkünfte gilt als lukratives Geschäft. Das Regierungspräsidium Freiburg lässt sich diese Aufgabe viel kosten.

Der 38-jährige Angeklagte aus Waldshut-Tiengen soll gemeinsam mit seinem 27-jährigen Kompagnon aus Villingen-Schwenningen – sie betrieben zusammen ein Sicherheitsunternehmen – drei ebenfalls Angeklagte aus Rottweil, 23 und 24 Jahre alt, zu dem Handgranatenwurf angestiftet haben. Mutmaßliche Motive: Konkurrenten abschrecken, Druck aufbauen, führend im Geschäft mit den Flüchtlingen werden.

Der sechste Angeklagte in diesem Fall stammt aus Zimmern ob Rottweil. Nur weil der 25-Jährige und zwei der aus Rottweil stammenden Komplizen am Ende befürchteten, von einem Zeugen gesehen worden zu sein, ereignete sich der verhängnisvolle Granatenwurf von Villingen nicht schon einen Tag zuvor. Der junge Mann aus Zimmern, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft, sei schon in der Nacht auf den 28. Januar vor Ort gewesen, um eine Handgranate zu werfen.

Dass Menschen hätten zu Tode kommen können, wenn die mit Sprengstoff gefüllte Waffe explodiert wäre, hätten die Angeklagten zumindest in Kauf genommen. Wie wahrscheinlich genau dieses Szenario wirklich war, bewies die kontrollierte Sprengung durch eine Entschärfungseinheit des Landeskriminalamts am frühen Morgen nach der Tat.

Zwischenzeitlich haben auch die Ermittler die Bruchstücke ihrer Arbeit penibel zusammengesetzt. Entstanden ist das Bild einer schier unglaublichen Brutalität und Mentalität im Sicherheitsgewerbe in Südbaden. Und einer Tat, die demnächst in Konstanz ihre gerichtliche Aufarbeitung finden soll.