Hildegard Hahn lebt zehn Monate in asiatischem Land / Im Ashram meditiert / Neues Verhältnis zur Heimat

Von Julia Christiane Hanauer

u  Zehn Tage in einem Aschram schweigen, täglich mit dem Elend der armen Bevölkerung konfrontiert sein und sich in eine fremde Familie integrieren: Die Villingerin Hildegard Hahn verbrachte zehn Monate in Indien – und hat seit ihrer Rückkehr ein anderes Verhältnis zu ihrer Heimat.

Indien, das war für die 17-jährige Hildegard Hahn eine Reise in eine andere Welt, die sie genossen, teils aber auch sehr bewegt hat. Die gesellschaftlichen Unterschiede in dem asiatischen Land sind gravierend, Hildegard war täglich mit dem Leid der Menschen dort konfrontiert. "Es gibt sehr viele Bettler, die mich immer auf meinem Weg zur Schule angesprochen haben", erzählt sie. "Das war anfangs der totale Schock." Auch der Umgang von Männern mit Frauen hat sie anfangs irritiert. Denn dort ist es gang und gebe, dass Männer die Frauen anmachen. "Es gab viele Situationen, in denen ich von Männern verfolgt wurde", sagt Hildegard. Irgendwann ging sie dazu über, sich mit einem Tuch zu verhüllen und klare Absagen zu verteilen. Das sei für indische Verhältnisse ungewöhnlich: "Frauen widersprechen Männern nicht, und die Frauen wehren sich nicht, weil sie meinen, weniger wert zu sein." Dennoch fühlte sich die junge Frau auf den Straßen nie unsicherer als in Deutschland.

Während ihres Aufenthalts besuchte Hildegard die Schule. "Der Respekt zu den Lehrern ist dort sehr groß", sagt die Zwölftklässlerin, die in Schwenningen die Waldorfschule besucht. Die Schüler stehen auf, wenn sie etwas sagen. Doch selbstständiges Denken werde ihnen nicht beigebracht. "Sie lernen alles auswendig, aber ich hatte das Gefühl, dass sie nicht immer verstanden haben, was sie gelernt haben." Indische Wirtschaft, Buchhaltung, sowie Geschäftslehre – das sind in Indien unterrichtete Fächer.

Die Villingerin nutzte die Chance, mehr über die indische Kultur zu erfahren. Sie nahm Sprach- und Tanzunterricht, lernte Henna-Tattoo-Malen, reiste durch das Land und besichtigte beispielsweise Rajastan, ritt auf einem Kamel durch die Wüste und besichtigte einen Hindu-Tempel.

Einer ihrer Höhepunkte in Indien war der zehntägige Aufenthalt in einem Aschram. Während dieser Zeit schwieg sie und meditierte. Zwei Mal am Tag gab es etwas zu essen. Zudem beschäftigte sich Hildegard intensiv mit den verschiedenen Religionen in Indien. "Die Frage ist nicht, ob man an Gott glaubt, sondern an welchen", berichtet sie. "Religion ist in Indien sehr wichtig. Der Auseinandersetzung mit diesem Thema kann man dort überhaupt nicht entgehen."

Der Aufenthalt in Indien hat Hildegard nachhaltig geprägt. Nach ihrer Rückkehr trennte sie sich zunächst von all ihren früheren Klamotten. "Ich habe mit meinem ‘alten’ Leben abgeschlossen", sagt sie. Auch das Verhältnis zu ihrer Heimat hat sich verändert: "Der Schwarzwald kommt mit seitdem viel schöner vor", sagt sie lachend. Die Schülerin freut sich über den Schnee und nimmt kleine Dinge bewusster wahr. "Ich bin dankbarer für das, was ich habe." Dazu gehört beispielsweise die Sauberkeit und die Müllentsorgung – in Indien wird alles auf die Straße oder in den nächsten Fluss geworden.

Trotz aller Vorzüge in der Schwarzwälder Heimat will Hildegard Hahn unbedingt noch einmal in das asiatische Land reisen: "Ich vermisse Indien."