Manfred Molicki im Uhrenindustriemuseum

VS-Schwenningen. Ein nicht alltäglicher Rundgang erwartete die Besucher im Uhrenindustriemuseum. Manfred Molicki, Gründer der Gesellschaft für Zeitkultur, führte die Besucher mit seinen Augen durch das Museum.

Nicht nur für die zahlreichen Besucher, auch für Manfred Molicki war diese Matinee ein Novum, und entsprechend gespannt waren alle auf das, was kommen würde. Angekündigt war ein gut einstündiger Rundgang mit verschiedenen Stationen, an denen Impulse zum Thema Zeit in Form von Gedanken, Fragen, Gedichten, Zitaten vorgetragen werden sollten. Das Uhrenindustriemuseum als Haus voller Uhren sei genau der richtige Ort dafür, erklärte Molicki in seiner Einführung.

Zwei Fragen zogen sich als roter Faden durch die Führung: was macht die Uhr mit dem Menschen, und wie geht der Mensch mit der Uhr und seiner Zeit um. Grundlage war die bereits von den alten Griechen postulierte Unterscheidung in Chronos – die regelmäßig ablaufende, messbare Zeit der Uhren und Kalender – und Kairos – die unregelmäßige, unberechenbare innere Uhr des Menschen. Wichtig sei es, beides miteinander in Einklang zu bringen.

Eigenzeit-Objekte

Zur Veranschaulichung hatte Molicki mehrere seiner Eigenzeit-Objekte mitgebracht, wie eine Zeit-Waage und ein Zeit-Messer. An neun Stationen machte Molicki Halt, um neben eigenen Gedanken auch so bekannte Leute zu Wort kommen zu lassen wie den Soziologen Niklas Luhmann, den Lyriker und Theologen Angelus Silesius, den Schauspieler Peter Ustinov oder den Schriftsteller Hermann Hesse.

Selbst Südseehäuptling Tujavi aus Tiavea war mit seinen Gedanken über das merkwürdige Zeitverständnis des Papalangi mit von der Partie.

Start an der Stechuhr

Der Rundgang begann an der alten Stechuhr der Firma Schlenker-Grusen von 1900/1910, führte dann vorbei an der historischen Steimer-Werkstatt und der Abteilung Berufsschule mit ihren Lehrmodellen und Meisterstücken in die Sonderausstellung und fand ihren Abschluss im Maschinensaal mit Mehrspindelbohrmaschine und Transmission.

Die Zeitdisziplin wurde ebenso thematisiert wie "die gute alte Zeit", das Verhältnis von Muße, Kreativität und Terminkalender oder die "neuen Götter" unserer Zeit namens Beschleunigung, Schnelligkeit und Gleichzeitigkeit mit Erscheinungen wie Coffee-to-go oder Essen und Telefonieren während des Autofahrens.

Den Gegensatz von Transmissionsanlage und Einzelmotoren verglich Manfred Molicki mit der ehemals einzelnen Uhr am Kirchturm und den heute bei jedermann anzutreffenden Uhren als Ausdruck von zunehmender Individualisierung.

Da Manfred Molicki seinen Zuhörern keine guten Ratschläge mit auf den Weg geben wollte, wie sie zukünftig mit ihrer Zeit umgehen sollten, gehörte das Schlusswort dem Mathematiker und Physiker Georg Christoph Lichtenberg: "Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber ich kann sagen, dass es anders werden muss, wenn es besser werden soll!"