Foto: Eich

Manchmal gleicht die Fahrt für Rollstuhlfahrer einem Slalomlauf. Auch einige Gebäude gleichen wie Festungen.

Villingen-Schwenningen - Ein Gang in die und in der Stadt gleicht für sie einer Slalomfahrt. Mal müssen die beiden Rollstuhlfahrerinnen rückwärts lenken, um die Straße zu wechseln, mal müssen sie auf die Straße ausweichen, weil geparkte Wagen den Gehweg verengen.

In manche Gebäude kommen sie nur hinein, wenn irgendein freundlicher Passant die schwere Türe aufhält. Alltagsprobleme, die viele Menschen mit Behinderung in VS haben.

Fehlende Bordsteinabsenkungen, Schlaglöcher auf der Fahrbahn, massive Eingangstüren (ohne Türöffner): Auch wenn sich die Stadtverwaltung äußerst kooperativ zeige, so Hannelore Radigk (Beirat für Menschen mit Behinderung in VS) im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, liege doch einiges im Argen. Und dies seit geraumer Zeit, pflichten ihre beiden Begleiterinnen, beide auf den Rollstuhl angewiesen, bei. "Was brauchen Menschen mit Behinderung im Bezug auf Mobilität", frägt sie... "Und was finden Sie in unserer Stadt vor?" Das Thema Inklusion sei zwar in den Köpfen angekommen, "aber mit der Umsetzung hapert es eben".

Wenn sich Brunhilde Urban beispielsweise am Bahnhofsareal bewegt, dann muss sie sich auf fehlende Absenkungen vorbereiten. Wie an anderen Kreuzungen im Stadtgebiet. "Manchmal muss ich rückwärts fahren, um den Gehweg zu verlassen und die Fahrbahn zu überqueren." Unlängst hatte der Schwarzwälder Bote über eine Rollstuhlfahrerin berichtet, die an der Kreuzung Kirnacher Straße/Dattenbergstraße gestürzt war: Ein Schlagloch und eine zu hohe Bordsteinkante hatten den Rollstuhl der Frau zum Kippen gebracht.

Wie sieht es mit der Mängelliste des Behindertenbeirats aus, die beim Bauamt liegen soll? Pressesprecherin Oxana Brunner weist darauf hin, dass viele Teile im 460 Kilometer langen Straßennetz der Stadt nur eingeschränkt barrierefrei ausgebaut seien. Aus den eingehenden Meldungen über Missstände, werden Schwerpunkte gebildet, die entsprechend der Möglichkeiten geplant und abgearbeitet werden.

Zu viele Stühle

Problematisch schildern Brunhilde Labor und Gudrun Högemann, sei auch teilweise ein Durchkommen in der Fußgängerzone, durch ein zu dichtes Bestuhlen. "Man kommt da kaum noch durch. Es ist der reinste Slalomlauf", ärgert sich Brunhilde Labor. Einen Punkt dürfte Hannelore Radigk in absehbarer Zeit jedoch streichen. Wie bereits berichtet, soll die Rietstraße nach dem Stadtjubiläum 2017 saniert werden und das einstige "Hoppelpflaster" Vergangenheit sein. In die Sanierung einer der Hauptachsen der Stadt wurde auch der Behindertenbeirat mit einbezogen.

Slalomfahrten durch die beiden Städte, mühsames Passieren von Kreuzungen, das ist die eine Seite. Die andere: In Büros, Läden oder auch Kirchen ohne Probleme hineinzukommen. Wenn Brunhilde Labor und ihre Bekannte beispielsweise ins Villinger Münster hineingehen möchten, dann stehen sie erst einmal, bis sich jemand findet, der ihnen die Türe aufhält. "Das ist schon für mobile Menschen ein Kraftakt", spielt Radigk auf das massive Portal an. Und dieser Kraftakt geht im Stadtgebiet gerade so weiter. Mal sind es Stufen oder Schwellen, die das Betreten schier unmöglich machen, mal eben schwere Eingangstüren. "Da wären Türöffner schon von Vorteil", so Radigk.

Immerhin leben in VS, soweit die Zahlen vom März 2016, exakt 13.722 Menschen mit Behinderung, zu diesem Zeitpunkt gab es 10.120 Behindertenausweise. Um noch stärker als bisher auf die Belange von Menschen mit Behinderung hinzuweisen und Dinge zu bewegen, setzt sich Hannelore Radigk dafür ein, dass die Aufgabe des Behindertenbeauftragten künftig kein Ehrenamt mehr bleiben solle, sondern eine feste Stelle geschaffen werde. Seit dem Tod von Renate Gravenstein wird das Amt provisorisch von ihr wahrgenommen.

VS "ist weiter als andere"

Oberbürgermeister Rupert Kubon sicherte auf Anfrage zu, dass man nach den Ferien darüber diskutieren wolle, ob und wie man diesem Wunsch nachkommen könne. Kubon gibt jedoch zu bedenken, dass man zum einen vor Jahren eine Aufwandsentschädigung für die Behindertenbeauftragte der Stadt eingeführt habe. "Und damit sind wir weiter als andere Kommunen." Zudem hätten mit VS vergleichbare Kommunen keine hauptamtlichen Behindertenbeauftragten. Dennoch: Das Thema bleibe auf der Agenda.