Bürgermeister Detlev Bührer hat eine erneute Lärmmessung in den bundesstraßennahen Häusern angeordnet. Foto: Eich

Wie viel Lärm müssen Anlieger der Bundesstraße in Kauf nehmen? Kontroverse Diskussion im Gemeinderat.

Villingen-Schwenningen - Die Mittagssonne lädt nach draußen ein. Doch wer nahe der Bundesstraße 33 wohnt, kann das getrost vergessen: Verkehr donnert unablässig über die Straße und macht geruhsame Stunden auf dem Balkon zunichte. Wie viel Lärm müssen Anlieger der Bundesstraße 33 in Kauf nehmen?

Die Diskussion hierzu im Gemeinderat der Doppelstadt war kontrovers. Manche Gemeinderäte haben sich den Lärmschutz für die Anlieger geradezu auf die Fahnen geschrieben und verärgert auf die Einlassungen des Regierungspräsidiums reagiert, wonach eine Temporeduzierung auf 70 Stundenkilometer aufgrund des Lärmschutzes nicht infrage komme. Andere hingegen proklamierten nach dem Motto "selbst schuld" und "Augen auf bei der Wohnortwahl", dass die B33 schon vor den meisten Gebäuden dagewesen sei und die Anwohner daher gewusst hätten, dass ihr Wohnort entsprechende Beeinträchtigungen mit sich bringt.

Doch manche waren eben schon vorher da und durften die Entstehung der B33 und die rasante Zunahme des Verkehrs notgedrungen miterleben. Eine von ihnen ist Gisela Riegger. "Das ist teilweise schon heftig", sagt sie angestrengt laut, um den Verkehrslärm zu übertönen. Gerade braust ein Lastwagen vorbei, nur ein Stück Rasen und eine Hecke trennen die Gesprächsteilnehmer in der Zwergsteigstraße an diesem Vormittag von der Leitplanke an der Bundesstraße. Doch die Lastwagen sind noch gar nichts. "Schlimm ist es im Sommer, wenn die Motorradfahrer unterwegs sind", pflichtet Frank Furtwängler bei, der quasi nebenan, in der ebenfalls lärmgeplagten Thüringer Straße wohnt. Und wie bestellt rast ein Motorradfahrer mit lautem Dröhnen über die Bundesstraße nebenan.

Als die Rieggers hierher zogen, "da war das alles noch Wiese". Ihre Schwiegereltern, erinnert sie sich, mussten noch ein Stück Wiese abtreten, damit die Bundesstraße überhaupt gebaut werden konnte. "1933 ist unser Haus gebaut worden, die Bundesstraße kam, glaube ich, um 1960 herum." Am Anfang sei nur jede Viertelstunde ein Auto darauf gefahren, "wir haben noch gestoppt, wann wieder eines kommt", sagt sie und lacht. Gisela Riegger schwelgt in Erinnerungen, die fast unglaublich klingen, angesichts der Blechkolonnen, die sich während ihrer Schilderungen ununterbrochen über die B33 wälzen.

Trotzdem sei der Lärmschutz für die Anlieger schon seit Jahrzehnten ein Thema, nicht erst, seitdem, wie Furtwängler schildert, ohne Lärmschutzfenster gar nichts mehr geht. "Man hat uns ja auch schon angeboten, einen Lärmschutzwall zu machen", weiß Gisela Riegger. Aus gutem Grund hätten sie das abgelehnt: "Der wäre dann bis hierhin gegangen", erzählt sie und markiert mit dem ausgestreckten Arm eine gedachte Linie, die beinahe die Hälfte ihres Grundstücks abtrennen würde. Ein zu hoher Preis für den Lärmschutz.

Behördlicherseits jedoch bestehen Zweifel, ob dieser Lärmschutz überhaupt notwendig ist. Bürgermeister Detlev Bührer hat eine erneute Lärmmessung in den bundesstraßennahen Häusern angeordnet. Diese soll voraussichtlich über mehrere Tage dauern und somit ein realistisches Bild der tatsächlichen Lärmbelastung für die Anlieger geben.

Schon einmal hat eine Lärmmessung stattgefunden und zu dem für viele Gemeinderäte und Anlieger unzufriedenstellenden Ergebnis geführt und dazu, dass der von der SPD seit langem vehement geforderten Temporeduzierung eine Absage erteilt worden ist.

"Der war hier", erinnert sich Riegger, und ausgerechnet als der Techniker gemessen habe, habe der Geräuschpegel nur 48 Dezibel betragen, erst ab über 70 sei das Ergebnis relevant, meint die Anwohnerin.

Die Stadtverwaltung hat die Messung bei dem Fachbüro Brenner Bernard Ingenieure GmbH in Aalen/Dresden in Auftrag gegeben und das Ergebnis dem Regierungspräsidium in Freiburg vorgelegt mit der Bitte um Prüfung, ob die Tempodrosselung damit möglich ist. Am 3. April fand eine Besprechung in Freiburg mit Vertretern der Stadt Villingen-Schwenningen statt, die die Absage für eine Temporeduzierung aus Lärmschutzgründen mit sich brachte.

"Aus den ermittelten Lärmkarten geht hervor, dass auf dem gesamten Streckenabschnitt bei keinem der Wohnhäuser die sogenannten Orientierungswerte von 70 Dezibel tags und 60 Dezibel nachts erreicht werden", so die Pressesprecherin der Stadtverwaltung, Oxana Brunner, auf Anfrage unserer Zeitung.

Ob das tatsächlich stimmt, will man nun aber ganz genau wissen und die erneute Lärmmessung starten. Dafür wird nun eigens ein Gerät ausgeliehen, so Pressesprecherin Brunner, da sich das vorliegende technisch nicht für diese Art von Messungen eigne.

Wie auch immer aber die Messungen ausgehen, ein anderes Argument des Regierungspräsidiums wiegt ebenfalls schwer: Mit einer weiteren Absenkung der Geschwindigkeit auf Tempo 70 würde, so heißt es, "keine für das menschliche Ohr wahrnehmbare Lärmminderung erzielt".