Bis zu 30­ 000 Zwangsarbeiter lernten das Stalag V B von innen kennen / Einige Deutsche halfen den Verschleppten

Von Wilfried Strohmeier

Villingen-Schwenningen. In den so genannten Stammlagern (Stalag) wurden während des Zweiten Weltkrieges Gefangene und Zwangsarbeiter untergebracht. Auch in Villingen gab es eines, das Stalag V B, es stand ungefähr in der Nachbarschaft zur Saba, zusätzlich gab es noch einige andere kleinere Lager.

So hatte die Saba ihre eigene Unterkunft, ebenso die Schuhfabrik Johannes Haller, Junghans, die Württembergische Uhrenfabrik, und es gab noch eines in der Schwenninger Jugendherberge. Darüber hinaus waren sie auch teilweise privat untergebracht, da das Stalag zu klein war.

Villingen lag im Wehrkreis fünf und mit dem Buchstaben am Schluss wurde die Anzahl angegeben. So war das Stalag V A bei Ludwigsburg, das Stalag V C in Malsch, ein weiteres gab es in Straßburg. Von Villingen aus wurden über das Arbeitsamt und Rüstungskommandos sowohl die Zwangsarbeiter als auch die Fremdarbeiter in der Region verteilt.

Zuständig war es nach den Recherchen von Annemarie Conradt-Mach für ein Gebiet vom Kaiserstuhl bis nach Münsingen und Ulm, insgesamt dürften im Zeitraum von September 1941 bis Januar 1945 bis zu 30 000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter betreut worden sein. Dies lag an der Industrialisierung der Stadt. Sie mussten in fast allen größeren Fabriken von Villingen und Schwenningen arbeiten, aber auch auf den Bauernhöfen, die Arbeiter dort waren meist auch auf den Höfen untergebracht, um die langen Fußmärsche zur Arbeit zu vermeiden.

Stefan Alexander Aßfalg untersuchte die Situation in Villingen und stellte sie in die Relation zum Dritten Reich. Insgesamt arbeiteten während des Zweiten Weltkriegs Millionen von Ausländern, ohne sie wäre die Kriegsproduktion zum Erliegen gekommen.

Aßfalg schreibt in seinem Werk weiter: "Einige Villinger Betriebe hatten sich in den dreißiger Jahren weiterentwickelt, so zum Beispiel Kienzle Taxameter oder Saba. Vor allem die lufttechnische Rüstungsindustrie fand schließlich in den Villinger Präzisionsfabriken kompetente Partner für schwierige Entwicklungen und exakte Produktionserfordernisse. So profitierten die meisten Villinger Betriebe zunächst ganz erheblich durch das Kriegsgeschehen. Villingen war demnach schon in den ersten Kriegsjahren zu einem für die Rüstungs- und Kriegsproduktion besonders bedeutenden Standort geworden." Wie wichtig, kann man daran sehen, dass Helmut Kienzle und Wilhelm Binder jeweils zum Wehrwirtschaftsführer ernannt wurden, was ein politisches Amt war und Kienzle wurde als Kriegsmusterbetrieb ausgezeichnet.

Für den Juli 1942 waren laut Arbeitsamt folgende Fremdarbeiter in Villingen: 40 Italiener, 23 Franzosen, 90 Belgier, elf Niederländer, zwei Letten, fünf Schweizer, 33 Kroaten, zwölf Ukrainer, 73 Polen und 226 Russen, die Liste dürfte nicht vollständig sein. Die Rüstungsinspektion Villingen nennt für das Jahr 1943 einen Ausländeranteil an den Villinger Rüstungsfirmen von rund einem Fünftel. So schätzt Aßfalg, dass die Zahl von 2000 bis 2500 Zwangsarbeiter bei Kriegsende realistisch sein dürfte, zumal die Akten der Kreisverwaltung 2384 Menschen zum gleichen Zeitpunkt nennen. In den Tagen vor dem Einmarsch der Franzosen in Villingen wurden zwei, andere Quellen sprechen von drei, Gruppen mit jeweils rund 400 Russen in Marsch gesetzt, die in der Nähe des Bodensees freigelassen wurden.

Neben dem Stalag V B gab es in Villingen noch ein weiteres größeres Lager Niederwiesen, dort waren rund 390 Personen zusammengepfercht, vor allem aus dem Osten. In der Erinnerung bescheinigen die befragten einheimischen Zeitzeugen von damals eine eher schlechte Versorgungslage, vor allem die Russen und Polen seien schlecht dran gewesen. Und es war der Bevölkerung strengsten verboten, den Menschen Brot oder anderes zuzustecken, was jedoch immer wieder passiert sein muss. Es gab zudem eine dokumentierte Liebesbeziehung zwischen dem jungen Polen Marian Lewicki und der Deutschen Hildegard Lina Springmann. Es nahm kein glückliches Ende, das Paar wurde denunziert, Lewicki in Villingen aufgehängt, und die Frau kam ins KZ.

Annemarie Conradt-Mach nennt in ihrem Aufsatz "Alle mieden und verachteten uns..." in dem Buch "1939/49 50 Jahre Kriegsaubruch 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland" mehrere Fälle, in denen die Deutschen den Zwangsarbeitern halfen. Da schaute manch Bewacher auch mal zur Seite, erzählen Zeitzeugen.

In einem anderen Fall bescheinigten eine Ostarbeiterin einer Familie Schlenker aus der Nachbarschaft, dass diese sie mit Essen und Kleider versorgt hatte und auch für einen Arzt sorgte. "Insgesamt", so führt Conradt-Mach aus, "war wohl die Beziehung der Ostarbeiterinnen zur einheimischen Bevölkerung besser, als den Parteibonzen lieb war".